piwik no script img

Der Bremer Krüppel

■ Straßenspektakel-Projekt läuft an / Wer will, kann noch mitmachen

Demnächst, auf der Mai-Demo, da wird ein wenig Arbeiter -Bewegung stattfinden. Aber nicht nur! Nämlich Allerletzte, immer von den Hunden Gebissene werden sich nun auch dreinmischen. Ein Häuflein Haderlumpen wird, als Troß, zwischen den Reihen schlurfen, humpeln und krauchen, in Sack und Rupfen gehüllt, und wird nicht nur die Bürgerweide lauthals wollen, als „Krüppelweide“, sondern auch Geld. Geld werden sie wollen, die Letzten von uns Vorletzten, aber nicht in echt, sondern nur ein bißchen.

Und es handelt sich auch nicht um Letzte, sondern bloß um Laiendarsteller von Letzten, aber immerhin. Das Straßentheaterprojekt „Johann Dove und der Krüppel von Bremen„ rührt die Trommel und sucht, weil es kostet, noch lockeres Geld und vor allem Leute, die ihm mitspielen mögen, dem Städtel, im Herbst.

Am 15. September, da wird ein Spektakel sein auf dem Marktplatz, die Arm- und Hilf- und Obdachlosen machen dann Tumult und uns ein wenig frösteln, uns Kleineigentümern, im Spiel. Wie es früher gewesen ist, wird es sein. Und die Geschichte, die ist diese: im Jahre 1032 kriegen die Bremer Bürger von der Lesumer Gräfin Emma eine Weidefläche, so groß, wie sie ein Mann an einem Tag umlaufen kann. Der guten Emma schlechter Vetter Benno will noch was vom Erbe und wählt für diesen Umlauf einen Krüppel. Die vom Adel genasführten Bürgersleut jedenfalls schlagen 500 Jahre lang jährlich zurück mit einem Krüppel-Passionsspiel - dann, im Jahre 1532, soll es plötzlich nicht mehr sein, das Krüppelspiel, der Rat, er hat's verboten, weil nun die Unteren, die Immerletzten, das Spiel spielen und nachdrücklich die Bürgerweide und noch mehr für sich fordern. Das Verbot macht ein großes Faß überlaufen, das Volk erhebt sich, wird, wie es in solchen Fällen üblich ist, niedergeschlagen, der Rädelsführer Johan Dove, pars pro toto, wird enthauptet.

Dies also werden wir sehen, ein aufrührisch Rumpumpeln samt empörendem Ende. Die SpielerInnen arbeiten schon an Kostümen und Rollen, sind einmal die Woche Bettlerinnen, Huren, Richter und Nonnen, werden grüppchenweise unterwiesen in Sachen Rhythmik und können sich sicherlich bald en masse bewegen.

Das Projekt, wie gesagt, kann noch jede Menge Leute brauchen. Die Abteilungen Krüppel und Bettler sind zwar schon einigermaßen voll, aber selbstverständlich fehlt es an Menschen, welche freiwillig die Staatsmacht darstellen. Also überlegen Sie mal: wann sonst haben Sie Gelegenheit, unter sachverständiger Anleitung (Gil Staug und drei ABM-Kräfte) ein wenig Schau zu spielen. Zumal es wohl wird, was man so eine große Sache nennt. Und im Herbst, da dürfen Sie im Städtel richtig auf den Putz hauen, aufstandstechnisch.

scha

N Termine:

heute 20.oo Uhr Rhythmuskurs; Sa. 10.oo Uhr Tutti-Probe; immer donnerstags, 20.oo Uhr, finden die Staatsmacht-Proben statt, alles im Kontorhaus, Schildstr. 22.

Kontakt: Gil Staug, Tel. 71649

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen