Kaum Fortschritte in Genf und Wien

US-Binärwaffenprogramm steht Unterzeichnung eines C-Waffen-Abkommens beim Gipfel im Wege / Sowjets verlangen „Synchronisation“ von KSZE-Gipfel und deutscher Vereinigung  ■  Von Andreas Zumach

Genf/Wien (taz) - Ohne wesentliche Fortschritte endeten gestern in Genf die 15. Runde der bilateralen Chemiewaffengespräche zwischen USA und UdSSR sowie in Wien die sechste Runde der Nato-WVO-Verhandlungen über konventionelle Waffen (VKSE).

Zwar einigten sich die Genfer Unterhändler beider Großmächte „im Prinzip“ und ohne Zeitplan darauf, ihre C -Waffenarsenale von zirka 35.000 (USA) beziehungsweise 50.000 (UdSSR) auf jeweils 5.000 Tonnen Kampfstoffe zu reduzieren. Die UdSSR ist ihrem Chefunterhändler Barzanov zufolge bereit, einen entsprechenden Vertrag beim Washingtoner Präsidentengipfel Anfang Juni zu unterzeichnen

-aber nur, wenn dieses Abkommen verbindlich festlegt, daß die Produktion neuer C-Waffen mit dem Beginn der Vernichtung der Altbestände endet. Das lehnen die USA wegen ihres voraussichtlich noch bis etwa 1994 laufenden Binärwaffenprogramms ab. Die Absicht Washingtons, ein Arsenal von rund 600 Tonnen moderner Binärwaffen beizubehalten, bis alle von der US-Regierung als „C -waffenfähig“ eingestuften Staaten ein weltweites Verbot dieser Waffen unterschrieben haben, ist auch das wesentliche Hindernis bei den multilateralen C-Waffenverhandlungen der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz, deren Frühjahrsrunde ohne wesentliche Fortschritte am Dienstag zu Ende ging.

Bei den Wiener VKSE-Verhandlungen gab es keine Durchbrüche bei den besonders umstrittenen Fragen der Kampfflugzeuge sowie der Truppen. Auch die seit Monaten in Arbeitsgruppen diskutierten Definitionen und Obergrenzen in den Waffenkategorien Panzer, Infanteriefahrzeuge, Artillerie und Hubschrauber sind nach wie vor nicht vereinbart. Der sowjetische Chefdelegierte Grinevski verlangte am Donnerstag, den KSZE-Prozeß - zu dem die VKSE-Verhandlungen gehören - „mit den Etappen der deutschen Vereinigung zu synchronisieren“. Dies ist gemünzt auf die Bundeswehr bzw. eine gesamtdeutsche Armee, deren Größenordnung und Bewaffnung nach Vorstellungen Bonns und der Nato-Staaten weder bei diesen ersten VKSE- noch bei den Vier-plus-zwei -Verhandlungen, sondern erst bei einer VKSE-II-Runde, und damit frühestens ab Dezember 1990 auf die Tagesordnung kommen soll. Die WVO-Staaten außer Ungarn halten ihren Vorschlag aufrecht, schon jetzt neben der Begrenzung sowjetischer und US-amerikanischer Truppen auf jeweils 195.000 auch eine Gesamtobergrenze von jeweils 750.000 Soldaten für beide Bündnisse in der europäischen Zentralzone zu vereinbaren. Dies implizierte indirekt eine signifikante Reduzierung von Bundeswehr und NVA.