piwik no script img

Bonner Opposition will mitvereinen

Opposition im Bundestag fordert Beteiligung des Volkes und des Parlaments am Einigungsprozeß / Regierung sieht keinen Grund für Ängste  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Der Kanzler betreibe die deutsche Einigung als Privatsache. Weder Parlament noch Volk werde beteiligt. Das warfen SprecherInnen der SPD Regierungschef Kohl vor. In einer fast vierstündigen Debatte kritisierte die Opposition im Bundestag heftig die Regierungserklärung zum Stand der Verhandlungen mit der DDR. Die Regierung unterschlage die sozialen und ökonomischen Kosten für die Einführung der Währungsunion und der Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft.

Die SPD sei bereit, die Lasten für die Einheit mitzutragen, doch müßten endlich die wirklichen Kosten auf den Tisch, sagte die Abgeordnete Däubler-Gmelin. Betriebsschließungen und Arbeitslosigkeit in der DDR seien „so sicher wie das Amen in der Kirche“. Verdrängt werde auch, daß in der Bundesrepublik millionenfache Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Armut exitiere; deswegen könne der Zusammenbruch der DDR -Kommandowirtschaft keine Rechtfertigung für das bundesdeutsche Wirtschaftssystem sein. Wie die Grünen fordern auch die Sozialdemokraten, daß die deutsche Einheit nur partnerschaftlich sein könne, wenn sie mit einer Volksabstimmung abschließe.

Kanzleramtsminister Seiters (CDU) verteidigte bei der Vorlage der Regierungserklärung die Vorstellungen der Bundesregierung zur Währungsunion als „faires und großzügiges“ Angebot. Für das Schüren von Angst und Sozialneid bestehe kein Anlaß. Seiters schloß erneut Steuererhöhungen aus. Die Kosten der Einheit sollen nach Seiters Vorstellungen vom Wirtschaftswachstum sowie aus Einsparungen und Umschichtungen im Bundeshaushalt finanziert werden.

Die Abgeordnete der Grünen, Antje Vollmer, sagte, die deutsche Einheit und das Entstehen eines neuen Deutschlands sei immer der Traum der Linken gewesen. Statt aber eine kreative Phase zu sein, löse die Politik der Bundesregierung „große Beklemmung“ und „mürrische Stummheit“ aus. Ein eigenständiger DDR-Beitrag zur Einheit werde geleugnet und über die Kosten gelogen, „daß sich die Balken biegen“, kritisierte Frau Vollmer. In der Bundesrepublik drohe Mehrwertsteuererhöhung, die Gefahr der Inflation und „verdeckter Beitragsklau“ bei den Renten - und die DDR erhalte nicht BRD-Wohlstand, sondern Massenarbeitslosigkeit. Der Staatsvertrag sei ein „Kolonialvertrag“, „geschrieben in Manchester anno 1890“. Außerdem bemühe sich die Bundesregierung, die „zentralen Marksteine deutscher Geschichte“, - die Emanzipation von 1968 und die DDR -Revolution von 1989 - auszugrenzen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen