„Ein ganz normaler Selbstmord“

Geheimbünde der Ingenieurstudenten terrorisieren die Studentinnen an der tansanischen Universität in Dar es Salaam  ■  Von Christa Wichterich

Einen ganz normalen Selbstmord nennen viele Studenten der Universität von Dar es Salaam den Tod Levina Mukasas. Ihre Kommilitoninnen sehen das anders: „Die ganze Universität ist mitverantwortlich für diese Tragödie“. Am 6. Februar hatte sich die Erstsemesterstudentin Levina mit einer Überdosis des Malariamittels Chloroquin das Leben genommen. Sie war Opfer des Männerterrors geworden, der die Studentinnen an der tansanischen Uni, ein Viertel der 4.000 Studierenden, in Angst und Schrecken hält. „Mzee Punch“ - ein alter Mann, der zuschlägt - nennt sich eine Gruppe, die Studentinnen terrorisiert und pornographische Darstellungen über sie verbreitet. Der Geheimbund soll hauptsächlich aus Ingenieurstudenten bestehen - kein Zufall, denn gerade die Studenten, die mit moderner Technik und dem „Fortschritt“ schlechthin zu tun haben, glauben, daß sie unwiderstehlich sind und ein Verfügungsrecht über die Studentinnen haben. Seit dem Erstsemesterball im Oktober letzten Jahres hatte „Mzee Punch“ es auf Levina abgesehen. Damals hatte die Studentin sich den Zudringlichkeiten zweier Ingenieurstudenten widersetzt. Danach wurde sie fortwährend belästigt und schikaniert, bis schließlich einige Tage vor ihrem Tod ein Ingenieurstudent in ihr Zimmer im Studentinnenheim einbrach und versuchte, sie zu vergewaltigen. Widerständig wie sie sei, so wurde ihr daraufhin mitgeteilt, sei sie nun reif für die „Wand“. An einer Wand der Universitätsgebäude werde man sie, so die Drohung, als „unmoralische Frau, die Aids hat“, darstellen. Ob man es nun Mord oder Selbstmord nennt - jedenfalls war es die Angst vor dieser Schande, die Levina in den Tod trieb.

Nach ihrem Selbstmord organisierten Studentinnen erstmals große Protestaktionen und gründeten ein Anti-Terror -Kommitee. Schuld an Levinas Tod sei die Gleichgültigkeit, mit der an der Uni seit Jahren die sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen hingenommen würde. Einige Universitätsangestellte hätten gewußt, daß Levina terrorisiert wurde, und ihr nicht geholfen. Das Kommitee nannte die Namen der schuldigen Ingenieurstudenten, verlangte, daß sie von der Universität verwiesen werden und forderte die Regierung auf, gegen „Mzee Punch“ einzuschreiten.

Die Uni „erwägt“ nun Disziplinarmaßnahmen gegen den Vergewaltiger. Gegen „Mzee Punch“ und den männlichen Terror grundsätzlich vorzugehen, scheint jedoch schier unmöglich. Längst ist die Organisation zu einer Institution geworden, die sich größter Beliebtheit bei den Studenten erfreut - so machen sie sich widerspenstige Studentinnen gefügig.