Deutsch-deutscher Hexentanz und Hexenfrust

Zur Walpurgisnacht in den Harz kamen 600 Frauen aus Ost und West / Handgreiflichkeiten mit männlichen Journalisten  ■  Von Andrea Handels

Thale (taz) - „Wir können nicht zaubern, aber wir wollen hexen“ - unter diesem Motto feierten am Montag zum ersten Mal Frauen aus Ost und West gemeinsam die Walpurgisnacht. Für die Frauen aus der DDR war es überhaupt das erste Mal, daß sie öffentlich das traditionelle Hexenfest begehen konnten. Veranstaltet wurde diese Walpurgisnacht von den westdeutschen Grünen. Der Unabhängige Frauenverband der DDR (UFV) konnte sich aus Zeitgründen an der Organisation nicht beteiligen.

Ort des Geschehens ist nicht - wie ursprünglich geplant der sagenumwobene Berg Brocken im Harz, sondern der „Hexentanzplatz“ nahe der Ortschaft Thale. An diesem Ort sollen sich die Hexen gesammelt haben, um gemeinsam zum Hexensabbat auf den 1142 Meter hohen Brocken zu fliegen. Da die DDR-Grünen den Brocken zum Naturschutzgebiet erklären lassen wollen, kann das Hexenfest dort nicht stattfinden. Den „Hexentanzplatz“ bei Thale hatten die Frauen in dieser Nacht nicht für sich alleine. Dort hat nämlich der Stadtrat von Thale - das Hexenfest war schon beschlossenen Sache mit Broiler- und Bockwurstständen, westdeutschen Bierverkäufern und schlüpfrigen Modenschauen ein riesiges Volksfest organisiert. Das Frauenfest zur Walpurgisnacht geht hinter versperrten Türen im Bergtheater vonstatten. Ein wunderschönes, steil abfallendes Freilichttheater mit felsigen Kulissen und einem atemberaubenden Ausblick über diverse Dörfer und Wälder am Fuße des Harzes. Für 1.400 Menschen ist hier eigentlich Platz; gekommen sind knapp 600 Frauen, die meisten aus der BRD. Kein Wunder also, daß das Bergtheater die Atmosphäre einer schlecht besuchten Veranstaltung ausstrahlt. Unter den Frauen sind nur wenige als Hexen verkleidet und die Szene ist ziemlich gemischt: von älteren Frauen über Teenies, Feministinnen in lila bis zu den autonomen Frauen in Lederjacken ist alles vertreten. Letztere sind es, die kurz nach Beginn erstmal die Veranstaltung sprengen. Etwa zwanzig von ihnen stürmen die Bühne. Der Grund: männliche Fernsehteams. Diese und auch männliche Musiker waren aber laut Einladung offiziell zugelassen. Damit wollen einige der Frauen jedoch nicht leben. Die männlichen Journalisten werden unsanft vom Platz gewiesen. Vor dem Theater sammeln sich empörte DDR-Männer, die mit ihren Familien Einlaß begehren.

Die Männer sind gebannt: Die erste gesamtdeutsche Walpurgisnacht könnte eigentlich losgehen. Aber es reiht sich eine Panne an die andere: Die Zubringerbusse aus den westdeutschen Städten kommen viel zu spät, die Frauen vom UFV aus Ost-Berlin überhaupt nicht, dafür tritt aber, nachdem ihr Mann freiwillig den Ort des Geschehens verlassen hat, eine Prominente auf die Bühne: Die Ministerin der DDR für Frauenfragen, Christa Schmidt. „Guten Tag, ich bin der Minister für Frauenfragen.“ Gejohle aus dem Publikum, „Entschuldigung, die Ministerin für Frauenfragen, wenn Sie es so wollen,“ - akzeptiert. Christa Schmidt macht eine ganz klare Absage zu dem bundesdeutschen Paragraphen 218. Sie sei nicht gewillt, auch nur einen Schritt hinter die bestehende Regelung der DDR zurückzugehen. Der Paragraph 218 ist überhaupt das Thema der ersten gesamtdeutschen Walpurgisnacht. Denn die Frauen, die im Mittelalter als Hexen verbrannt worden sind, so die bayrische Landtagsabgeordnete der Grünen, Margarethe Bause, seien Frauen gewesen, die über Frauen-Medizin und Geburtenkontrolle Bescheid gewußt hätten. Durch die Vernichtung dieser Frauen sei die Medizin in die Hände der Männer geraten. Und auch heute gebe es noch Hexenprozesse, wie den in Memmingen. Matriachatsforscherinnen aus Speyer beleuchten mehr die mystische Seite der Walpurgisnacht - dem Fest der zunehmenden Mondin. Ein Flora-Kult-Fest bei dem die Frauen der Frühzeit, Feuer auf den Bergkuppen entzündeten, um so der All-Mutter zu huldigen. Mit Tänzen zum Mitmachen sollen die Frauen in Kontakt mit der Natur treten. Doch die reine Freude kommt nicht auf. Zu sehr ist die Stimmung des Festes geprägt von dem Streit, ob nun Männer rein dürfen oder nicht. Zwei der ohnehin kargen Kulturprogrammpunkte platzen wegen männlicher Pianisten. Die meisten DDR -Besucherinnen sind frustriert, weil sie „das mit den Männern nicht als Problem sehen“. Auch die Organisatorin der Walpurgisnacht, die Frauenreferentin der Grünen Niedersachsens, Marion Olthoff, ist am Ende der Veranstaltung nicht glücklich. „Das Konzept ist gescheitert. Man kriegt die Frauenbewegungen nicht unter einen Hut.“ Unzufrieden ist sie auch, weil es den Frauen nicht gelungen ist, auf dem „Hexentanzplatz“ bei Thale die Nacht zurückzuerobern. Denn schon um 23.00 Uhr ist die Walpurgisnacht zu Ende. Das Bergtheater wird geschlossen und die „Hexen“ gehen nach Hause anstatt ihre Matriachatstänze vor dem Bergtheater fortzusetzen. Denn da tobt nach wie vor das Volksfest unter dem Motto „pump up das Bier“. „Wir können nicht zaubern, aber wir wollen hexen“ hat keine Chance.