Programm gegen die Nomenklatura

Doina Pasca-Harsany, Redakteurin der Zeitung 'Timisoara‘ (Temeswar), zu den Forderungen der vereinigten Opposition und chauvinistisch-nationalistischen Tendenzen  ■ I N T E R V I E W

taz: Am Samstag fand im Temeswar die Landeskonferenz von über hundert Unterzeichnerorganisationen der „Proklamation“ statt. Was wurde besprochen?

Doina Pasca-Harsany: Die „Nationale Allianz für den Sieg der Revolution“ wurde gegründet und noch während des Sitzungsverlaufs in „Allianz für die Temeswarer Proklamation“ umbenannt. In einem Elfpunkteprogramm fordert die Allianz unter anderem: die Abschaffung jeglicher Überbleibsel des kommunistischen Regimes; die Bekanntgabe der genauen Anzahl der Opfer, die in Temeswar während der Revolution gefallen sind; die Schaffung einer Untersuchungskommission, die sich aus Personen zusammensetzt, die nicht mit dem Ceausescu-Regime zusammengearbeitet haben. Die Kommission soll eruieren, wer die sogenannten „Terroristen“ sind, die im Dezember in die Menge geschossen haben, wie es möglich war, daß vor dem Bukarester Palais stundenlang geschossen wurde, ohne daß auch nur eine einzige Kugel in Richtung des ZK-Gebäudes abgefeuert wurde, wer die Sowjettruppen zu Hilfe gerufen hat und mit welcher Begründung wer die Verantwortung für die Freilassung der verhafteten „Terroristen“ trägt. Außerdem wird die Entlassung aller Justizbeamten gefordert, die in die von der Securitate gegen Regimegegner inszenierten Strafverfahren verwickelt waren und die eine politische Rolle als Parteiaktivisten gespielt haben. Gefordert wird zudem die Entfernung der Beamten des Obersten Gerichts. Das Programm ist gegen die Nomenklatura gerichtet, also nicht gegen die Kommunisten, sondern gegen den Kommunismus. Es soll verhindern, daß diese Leute ins künftige Parlament eintreten.

Kann sich jede Gruppierung, Vereinigung oder Partei dieser Allianz anschließen?

Ja, außer rechts- oder linksextremistischen und nationalistisch-chauvinistischen Vereinigungen.

Kam es am Sonntag in Temeswar bei der Sympathiekundgebung für die Allianz zu Zusammenstößen?

Die Demonstration der etwa 20.000 Menschen verlief ruhig, ohne irgendwelche Störungen. Während der Demo wurde das Programm der Allianz und eine von der Gesellschaft „Timisoara“ (Temeswar) verfaßte Denkschrift verlesen, die im wesentlichen die Forderungen des Programms enthält und sozusagen eine Solidaritätserklärung mit den seit einer Woche demonstrierenden Bukarestern darstellt.

Ist es der chauvinistischen Vereinigung „Vatra Romaneasca“ (siehe nebenstehende Seite) gelungen, auch in Temeswar eine Filiale zu gründen.?

Ja, es gibt sie leider auch hier, aber eine Führungsriege konnte nicht gewählt werden. Auch über die Mitgliederzahl ist nichts bekannt. Vatra Romaneasca lehnt die Temeswarer Proklamation ab. Bedauerlicherweise kam es nun auch im Banat, in der Gegend um Temeswar, zu chauvinistischen Ausschreitungen, trotz der hier existierenden gutnachbarschaftlichen Beziehungen zwischen den Ethnien. Im Dorf Saravale und in der Stadt Arad besudelten Unbekannte kürzlich die serbischen Friedhöfe.

Interview: William Totok