Deutsche unerwünscht

■ Im niederländischen Enschede wollten Geschäftsleute deutsche Besucher für den „Befreiungstag“ aussperren / Die Nachfahren der Besatzer könnten stören

Berlin (taz) - Heute wird in Enschede der Jahrestag der Befreiung von den Deutschen gefeiert, wie in jedem Jahr. Diesjährige Attraktion: eine Parade mit 120 alten Militärfahrzeugen. Sogar die Insassen sind echt: Es sind englische und kanadische Veteranen, die vor 45 Jahren als Befreier in Enschede einfuhren. Die Parade trägt den englischen Namen „Keep Them Rolling“. Am gleichen Tag werden in Enschede rund 15.000 Deutsche erwartet. Wie jeden Samstag. Nicht zum Feiern, sondern zum Einkaufen.

Der Vertreter der lokalen Geschäftsleutevereinigung ECO, B. A. Sassen, sagte vor einem Monat, daß dieses Zusammentreffen peinlich werden könne: „Wenn die Deutschen von nichts wissen, kann das auch für sie peinlich sein.“ Seine Erklärung wurde schnell so verstanden, daß die Deutschen sich für ihren Einkaufsbummel besser einen anderen Tag suchen sollten, daß der Tag der Befreiung von den Deutschen besser ohne die Deutschen stattfinden solle.

Die lokale Tageszeitung 'Tubantia‘ leitartikelte am 23. April: „Deutsche sind am 5. Mai nicht willkommen in Enschede.“ Auch die konkurrierende Zeitung 'Twentsche Courant‘ zog mit und bald schwappte die Nachricht über die Grenze: „Empörung über Enscheder Kaufleute: Deutsche am Befreiuungstag unerwünscht“ titelten die 'Grafschafter Nachrichten‘.

Sassen fühlte sich mißverstanden. Er habe die Deutschen lediglich darauf hinweisen wollen, daß die Geschäfte am 5. Mai geschlossen seien. Die alte Widerstandskämpferin Johanna H. Visschers: „Es nennen sich viele Leute Widerstandskämpfer, aber so viele waren es nicht“. Damals wurden 700 Enscheder Juden deportiert und ermordet. Am 1. April 1945 wurde Enschede befreit. Doch am Vorabend der Befreiung gelang es den Deutschen, die Sitzung einer Widerstandsgruppe zu stürmen, neun Menschen wurden ermordet. Am nächsten Morgen weitere vier, nur wenige Stunden vor der Befreiung.

Die Deutschen sind bis heute nicht beliebt. Das hat mit dem 50 Jahre zurückliegenden Überfall auf die Niederlande und der Besatzung zu tun, damit, wie mächtig sich die Bundesrepublik in der Welt präsentiert, hat mit Fußball, deutschen Touristen und vielem anderen zu tun. Zwar sind das kollektive Gefühle, aber nur selten öffentliche. Schnell wird ausgebügelt, korrigiert, wenn das private Gefühl einmal zu flott in die Öffentlichkeit getreten ist. So war es wohl auch in Enschede.

Moritz Döbler