Trotz Aids-Angst blieb Präserboom aus

Stolz deutet Klaus Richter, Produktionsleiter der London Rubber Company (LRC), auf die Maschinen zur elektronischen Lochprüfung. „Neben Kondomen produzieren wir hier unsere eigenen Maschinen“, erläutert Richter wohlwollend seine Geste. Sie bestimmen in der Sarstedter Niederlassung dieses britischen Kondomfabrikanten den Takt der Produktion. Arbeiterinnen in weißen Kitteln und Hauben stülpen im einförmigen Rhythmus der Prüfmaschinen die einzelnen Kondome über metallene Stäbe. „Wir sind als Arbeitgeber momentan in einer denkbar schlechten Position“, entschuldigt sich der Produktionsleiter für die Walkmans, unter deren Kopfhörern manch hygienisches Häubchen, einem völlig anderen Takt gehorchend, windschief seinen Zweck verfehlt.

Im niedersächsischen Sarstedt sind die Wochen gezählt. Die LRC schließt noch in diesem Jahr diese Niederlassung bei Hannover. Das neue Werk liegt in der Nähe von Barcelona. Dort nämlich ist es erlaubt, Frauen bei Nacht und am Wochenende für die Fließbandarbeit einzusetzen. Außerdem werden die Spanierinnen für Spitzenleistungen im Takt der Prüfmaschinen mit billigen Peseten statt teuren Pfennigen belohnt.

Das aber, versichert Richter, sei nicht der Grund für den Wechsel ins sonnige Ausland. „Die weitgehend automatisierten Arbeitsbedingungen genügen dort eher den neuen hygienischen Vorschriften, die der DIN-Entwurf für Kondome vorsieht“, lautet seine Begründung.

Unter DIN58993 aber werden, neben einer verschärften Betriebshygiene auch einheitliche Prüfverfahren für Kondome festgelegt. Von jeder Charge (201.600 Stück) sollen künfigt 400 Kondome auf Materialeigenschaften wie Elastizität, Druckwiderstand und Dichte vom Hersteller selbst überprüft werden. Liegt der Anteil fehlerhafter Kondome bei maximal einem Prozent, wird die Charge akzeptiert. Die Einführung der DIN-Nummer für Kondome ist nun der letzte Schritt in einer langfristigen Entwicklung, durch den die bestehenden Bestimmungen Gesetzeskraft erlangen sollen.

In erster Linie wird diese Maßnahme nicht dem Verbarucher sondern der Kondomindustrie mehr Sicherheiten bringen. Unumstritten ist, daß, solange die staatliche Norm nicht rechtskräftig ist, sich die nach deutscher Vorschrift geprüfte Ware zwischen konkurrenzstarken Präservativen aus dem In- und Ausland behaupten muß. Nationale Standards gibt es bereits in Frankreich und England. Die RFSU, die schwedische pro Familie, drängt jetzt mit eigenen Kondomen auf den pillentreuen deutschen Markt. Seit kurzem ist die Firma Beiersdorf eifrig bemüht, über die Aids-Kampagnenen ins bundesdeutsche Kondomgeschäft miteinzusteigen.

Der Aids-Boom jedoch brachte der Kondomindustrie nicht den erhofften Durchbruch. Er entpuppte sich als Eintagsfliege. Zwar machte die Aids-Hysterie das Jahr 1987 zu einem ansoluten Rekordjahr für Kondome: In der BRD schnellte der Umsatz kurzfristig von 96 Millionen Kondomen auf 150 Millionen Stück. Schon im darauffolgenden Jahr aber sank er bei uns von 150 auf 110 Millionen Stück. „Kondome waren damals wirklich knapp“, bestätigt Manfred Esser, Werbeagent der DLF. Hamsterkäufe waren also der Grund für dieses kräftige Umsatzplus.

In Erwartung eines noch größeren Booms erwarb die Kondomindustrie weltweit neue Produktionsstandorte. Aber die Aids-Euphoprie der Industrie brachte neben einer kurzweiligen Aids-Hysterie beim Verbraucher nur einen Anstieg um nicht mehr als zehn Prozent. Rationalisierungen müssen diese Fehleinschätzung nun wieder wettmachen. Der harte Kleinkrieg um einen begrenzten Markt geht weiter.

Hierzulande teilen sich fünf von 16 Kondomherstellern 80 Prozent des Marktes. „Hersteller“ sind sie eigentlich nicht. Wenn die LRC in Sarstedt demnächst schließt, werden Kondome in der BRD nur noch verpackt. Die Firmen beziehen die fertigen Präservative aus Fernost. Die werden bei uns geprüft, benetzt oder gepudert und sachgerecht aufgerollt und eingetütet. „Veredelt“, sagt dazu im Fachjargon der Kondomfabrikant. Dür die „Big Five“, das sind LRC, MAPA, Rimbacher Gummiwerke, Ritex und Orion, gab „das allgemeine Verlangen nach einem konformen Produkt“ den Anlaß dazu, eine DIN-Nummer für Kondome einzuführen.

Eine Konzentration des Marktes auf die großen Hersteller sei nicht beabsichtigt, aber möglich, meint dann auch Claus Richter, DLF-Produzent und Marketingleiter der MAPA in Zeven. Für die Verbraucher indes ändert sich mit der DIN im Grunde genommen nichts, außer dem beruhigenden Gefühl, daß Kondome dann mit Sicherheit von deutscher Hand geprüft werden.

as