Kommunalwahlen der DDR ohne Sieger

■ Die CDU hat verloren und die SPD nicht gewonnen - die Proteststimmen jener DDR-Bürger, die sich vor Währungsunion und West-Konkurrenz im Agrarsektor fürchten, kamen den beiden Bauernparteien und anderen kleineren Gruppierungen zugute.

Die Verlierer dieser Kommunalwahlen sind eindeutig die Konservativen. Die Gewinner sind nicht so leicht zu benennen. Die beiden größeren Parteien der konservativen „Allianz“ haben gegenüber den Volkskammerwahlen fast 10 Prozent eingebüßt, und vom Dritten im Bunde, dem „Demokratischen Aufbruch“, ist schon gar nicht mehr die Rede. Für die DSU müssen die Verluste in ihren Stammländern Sachsen (von 13,2 auf 5,8 %) und Thüringen (von 5,8 auf 3,3 %) alarmierend sein, da es den Rechtskonservativen nicht gelungen ist, etwas an ihrer Bedeutungslosigkeit in der sonstigen DDR zu ändern. Insgesamt hat sich innerhalb der „Allianz„-Wählerschaft der Trend fortgesetzt, der ehemaligen Blockpartei CDU die Präferenz gegenüber den konservativen Neugründungen zu geben.

Obwohl die Basis der regierenden Konservativen zusammengeschmolzen ist, ist es nicht zu einem „Linksruck“ gekommen. Die Wähler, die am 18. März noch der CDU/DSU ihre Stimme gegeben hatten und ihr sie jetzt verweigerten, sind vor allem in zwei Lager abgedriftet: Die einen fuhren lieber ins Grüne und genossen damit zum ersten Mal das demokratische Recht, nicht wählen zu müssen. Ein kleinerer Teil schwenkte zu den beiden Bauernparteien, dem DBD (3,7 %) und dem neugegründeten Bauernverband (2 %). Beide sind als Organisationen politisch nicht ohne weiteres einzuordnen, noch schwerer ist das hinsichtlich ihrer Wählerschaft. Gerade deshalb handelt es sich um ein sehr interessantes Phänomen in dem noch immer stark ideologielastigen DDR -Parteienspektrum: das Auftauchen von Interessenparteien mit einem sozial eindeutig abgrenzbaren Wählerstamm (s. nebenstehenden Artikel).

Der PDS ist es nicht gelungen, die Ernüchterung über die Folgen einer schnellen Vereinigung in einen Stimmenzuwachs für die eigene Partei umzumünzen. In ihrer Hochburg Berlin konnte sie ihren Stimmenanteil von fast 30 % zwar halten, sonst aber hat sie abgebaut. Das war zu erwarten: ging es bei diesen Wahlen doch darum, in den Kommunen eine Wende herbeizuführen, wo die Spitzen des alten Machtapparates zwar vielfach das Parteibuch zurückgegeben hatten, aber noch im Amt waren.

Die SPD hat zwar nur geringfügige Verluste gegenüber den Volkskammerwahlen erlitten, doch befand sie sich damals in einem Tief, aus dem sie seither offenkundig noch nicht herausgekommen ist. Ihren Überraschungssieg in Leipzig verdankt sie offenbar dem Import eines westdeutschen Oberbügermeisterkandidaten - ein Erfolgsrezept, das nicht beliebig oft wiederholbar ist.

Die Bürgerrechtsorganisationen schließlich sind für die nach dem 18. März allenthalben beklagte „Undankbarkeit“ der Wähler gegenüber den Protagonisten der Herbstrevolution nur schwach entschädigt worden. Ihr Berliner Ergebnis ist wohl weniger ein Ausdruck von später Dankbarkeit (die sowieso nicht zu den rationalen Wahlmotiven gehört) als des überzeugenden Engagements ihrer Berliner Lokalmatadoren in der Volkskammer. Daneben kommt darin wohl auch die politisch -kulturelle Annäherung der beiden Teile Berlins zum Ausdruck. Man kann das Wahlergebnis auch als Vorgriff auf die Vereinigung interpretieren, freilich dann mit antizyklische Charakter: Die Großen haben verloren, die Kleinen gewonnen.

Walter Süß