piwik no script img

FRAGEN DES ÜBERLEBENS

■ Die afro-amerikanische Schriftstellerin Audre Lorde liest im Haus der Kulturen

„Ich glaube, daß weiße Frauen mit bestimmten Versuchungen konfrontiert sind, weil sie mit dem Hauptunterdrücker weißen Männern - verbunden sind. Weiße Frauen müssen erkennen, daß es nicht altruistisch ist, sich antirassistisch zu engagieren, sondern eine Frage des eigenen Überlebens: Wenn sie heute kommen und meine Kinder holen, kommen sie morgen und holen eure. Antirassismus ist eine feministische Aufgabe, weil es die Frage des Überlebens des Feminismus betrifft. Die weiße Frauenbewegung in den USA ebenso wie die deutsche Frauenbewegung werden auseinanderbrechen, wenn sie nicht beginnen, sich mit Rassismus und Antisemitismus, allen 'unakzeptablen‘ Unterschieden auseinanderzusetzen“, so die afro -amerikanische Autorin Audre Lorde in einem Interview mit der Zeitschrift 'Listen‘. Audre Lorde, die sich selbst als Kriegerin und Mutter, Schwarze, Feministin und Lesbe bezeichnet, ist eine der bedeutendsten afro-amerikanischen Schriftstellerinnen der Gegenwart und stößt inzwischen auch in der Bundesrepublik auf wachsendes Interesse. Hier besonders in der Frauenbewegung, obwohl die Diskussion über Rassismus unter bundesdeutschen Feministinnen noch in den Anfängen steckt.

Audre Lorde wurde als Tochter einer karibischen Einwandererfamilie 1937 in New York geboren. Sie wurde Professorin für Literaturwissenschaft am Hunter College in New York. 1984 erhielt sie eine Gastprofessur am John-F. -Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der FU Berlin. In den sechziger Jahren begann sie sich mit ihrer „Schwarzefrauenwut“ („Jede schwarze Frau Amerikas verbringt ihr Leben am Rande eines weiten Spannungsbogens aus uralter und ungeäußerter Wut“) auseinanderzusetzen und ist seitdem in der Schwarzenbewegung und in der Frauenbewegung aktiv. Seit 1968 veröffentlichte sie zunächst Lyrik, später Prosa, wie die zuletzt in deutscher Übersetzung erschienene Textsammlung Lichtflut. „Lichtflut“ beginnt mit einem offenen Brief an Mary Daly, indem sie der Autorin von Gyn/Ökologie. Eine Metaethik des radikalen Feminismus beispielhaft Ausblendung schwarzer Kultur vorwirft. Neben einigen ihrer schönsten Gedichte zeigt Audre Lorde in dieser Textsammlung die Verbindung von Rassismus in den USA und Südafrika auf, analysiert sie das Phänomen des Sadomasochismus in der Lesbenszene, reflektiert, „wie sich schwarze Frauen über Sexualität hinaus organisieren“, und beschreibt Chancen und Probleme schwarzer lesbischer Elternschaft.

Im letzten Kapitel, bestehend aus ihrem Krebstagebuch, verarbeitet Audre Lorde ihren Kampf gegen Krebs, der vor sechs Jahren begann. Auch hier zeigt sich der Widerstand und die Kraft, die Audre Lordes Leben durchzieht und die ihre Bücher ausstrahlen. So schreibt sie: „Dies (der Kampf gegen Krebs) ist nur eine andere Erscheinungsform des fortdauernden Kampfes um Überleben und Selbstbestimmung, den schwarze Frauen Tag für Tag oft siegreich führen.“

Sabine am Orde

Heute um 20 Uhr liest Audre Lorde auf Einladung des Orlanda Frauenverlags, bei dem ihre Bücher in deutscher Übersetzung erschienen sind, und des Hauses der Kulturen der Welt, John -Foster-Dulles-Allee 10, 1-21.

In deutscher Übersetzung sind bisher erschienen: „Macht und Sinnlichkeit. Ausgewählte Texte von Audre Lorde und Adrienne Rich“, 1983, 202 S., 22,80; „Auf Leben und Tod. Krebstagebuch“, 1984, 120 S., 16,80; „Zami. Eine Mythobiographie“, 1986, 301 S., 29,80; „Lichtflut. Neue Texte“, 1989, 174 S., 29,80.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen