Wenn die Feuerwehr erst Alarm schlägt...

■ Auch das „Organ Feuerwehr“ benötigt Umstrukturierungen / Feuerwehrleute wollen sich in der „ötv der DDR“ gewerkschaftlich organisieren

Berlin (taz) - „Wir gehen für Sie durch's Feuer“ - mit diesem einleuchtenden Spruch bewirbt die West-Feuerwehr ihre Arbeit. Sympathiewerbung hatte die DDR-Feuerwehr bislang nicht nötig. Doch die Wende hat auch dieser Feuerwehr manche Wende beschert. Die möglichen Kampagnen-Sprüche werden beim „Organ Feuerwehr“ aber vermutlich eine ganz andere Tonart haben: Die Aktivisten der notwendigen Umstrukturierung denken an so deutliche Alarmsignale wie „SOS Feuerwehr“ oder „Feuerwehr in Not“. Das Dienstverhältnis eines Feuerwehrmanns beruht drüben wie hüben auf Befehl und Weisung, und so beginnt eine Dienstanweisung mit „ich befehle“. Die Unterschiede sind dennoch beträchtlich: West -Feuerwehren sind kommunale und entsprechend zivile Einrichtungen, das „Organ Feuerwehr“ ist „Teil der Bewaffneten Organe“ und untersteht ab Kreisebene dem Kommando der Volkspolizei. Ein Feuerwehrmann aus Erfurt redet Klartext: „Ich arbeite auf der Grundlage von Befehlen, und bei Nichteinhaltung geh‘ ich in den Knast“.

Die Feuerwehrmänner wandten sich an den neuen Minister für Innere Angelegenheiten und trugen ihm ihre Anliegen vor. In einem Brief vom 20. April boten sie aktive „Mitarbeit bei der demokratischen Umgestaltung in Ihrem ministeriellen Verantwortungsbereich“ an. Und sie hatten vorgedacht und einen Entwurf für eine Rahmenkollektiv-Vereinbarung vorbereitet. Denn bei der notwendigen Umstrukturierung der Verwaltung wird es auch für sie um Gehälter und Arbeitsplätze gehen. Anders als in der Bundesrepublik, wo die meisten Städte eine freiwillige und erst ab 100.000 Einwohnern eine Berufsfeuerwehr haben, ist die DDR republikweit mit Berufsfeuerwehren versorgt. In den zwölf Kreisen des Bezirkes Erfurt zum Beispiel gibt es fünf Kommandos und in den restlichen sieben Kreisen je eine „Abteilung Feuerwehr“. Von den jetzt 417 Beschäftigten würden, nach Rechnung der Feuerwehrleute, nur rund 100 weiterbeschäftigt, würde das BRD-Prinzip mit der 100.000 -Einwohner-Regelung übertragen. Daß die BRD -Mannschaftsdichte höher ist als in der DDR, daß demnach sogar Leute eingestellt werden müßten und den jetzt Beschäftigten allenfalls ein Umzug droht, beruhigt die DDR -Feuerwehrleute vorerst gar nicht. Wenig beruhigend empfinden sie auch die Antwort des neuen Dienstherrn vom 2. Mai: „Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich auf Grund anderweitiger Verpflichtungen Ihrem Wunsch zur Aufnahme von Gesprächen zur Zeit nicht entsprechen kann.“ Genau dieses Verständnis wollen die Leute vom „Organ Feuerwehr“ nicht mehr lange aufbringen. Auf mögliche (gewerkschaftliche) Auseinandersetzung haben sie sich in den letzten Monaten auch organisatorisch vorbereitet.

Bis zur Wende durften Angehörige der „Bewaffneten Organe“ sich nicht organisieren, doch schon in den ersten Wochen danach entstanden Initiativen zur Gründung von Gewerkschaften. Als am 20. Januar die „Gewerkschaft der Volkspolizei“ (GdVP) gegründet wurde, bildete die Berufsfeuerwehr zunächst eine „eigenständige Säule innerhalb dieser Gewerkschaft“. Bald darauf wurden auf Bezirksebene Berufsvertretungen der Feuerwehr und am 17. Februar ein Hauptvorstand gewählt. Die Unstimmigkeiten mit der GdVP wuchsen jedoch schnell: Ein Konzept für die Vertretung der gewerkschaftlichen Interessen der Kollegen Feuerwehrleute hatten die Kollegen Volkspolizisten nämlich nicht. So wurde für Ende März in allen Bezirken eine Abstimmung zur Bildung einer „Abteilung Feuerwehr der ötv der DDR“ beschlossen. Am 29. März lag das Ergebnis vor: Von rund 8200 Berufsfeuerwehrleuten hatten sich 76 % an der Abstimmung beteiligt und über 68 % für eine Zugehörigkeit zur ötv ausgesprochen.

Doch die ötv (West) tat sich nicht so ganz leicht mit dieser Sympathiebekundung, was nicht nur damit zu tun hat, daß auch Feuerwehrleute zu einem hohen Prozentsatz SED -Mitglieder gewesen waren. Eine Anerkennung der „Abt. Feuerwehr der ötv der DDR“ war für die ötv (West) isoliert nicht möglich. Doch gilt als sicher, daß der heute in Stuttgart tagende ötv-Hauptvorstand auf dieser Sitzung den Beschluß faßt, daß - und zwar bald - eine „ötv der DDR“ gegründet wird. Mit einem solchen Beschluß wird die ötv (West) die für den 17. Mai geplante offizielle Gründung einer „Gewerkschaft Öffentlicher Dienst“ (GÖD), zu der sich eine stattliche Anzahl bisher höchst staatstragender Beschäftigter der DDR-Verwaltungsapparate zusammengeschlossen hat, durch Konkurrenz beleben. Wie aber „echte Reformer“ von „echten Wendehälsen“ geschieden, wie also eine demokratisch denkende und handelnde Mitgliedschaft in den DDR-Gewerkschaften erreicht werden kann - das Problem stellt sich nicht nur für die ötv, wenn auch für sie im besonderen. „Vielleicht“, sinniert ein Ostberliner Feuerwehrmann, „hätten wir mehr Druck auf die ötv erzeugen können, wenn wir uns nicht so eindeutig zu ihr bekannt hätten.“ Eine Grundkurs-Regel in Sachen wirksamer Interessenvertretung haben die Leute vom „Organ Feuerwehr“ also schon gelernt.

Anna Jonas