Küchengehilfen mit Professorengehalt

Der vielbeschworene „europäische Sozialraum“ ist im Europaparlament schon verwirklicht - so nobel wie ihr Habitus sind die Gehälter von Saaldienern, Chauffeuren und Postverteilern / Der Beamtenstatus gilt für alle EG-Bediensteten  ■  Aus Straßburg Thomas Scheuer

Sie tragen, angetan mit Frack und Binder, wahrlich schwer an ihren versilberten Ketten, die Saaldiener des europäischen Parlaments. Ihre Arbeitszeit im Plenarsaal des Straßburger Europa-Palastes verbringen sie vornehmlich mit würdevollem Herumstehen, wenn sie nicht gerade Abgeordneten Notizzettelchen nachreichen oder sich vokal mit dem Schrei „Monsieur le President“ verausgaben, um den Eintritt des Parlamentschefs anzukündigen. So nobel wie ihr Habitus sind Gehälter und Pensionsansprüche der EG-Pinguine. Das verbindet sie mit Küchenhifen, Amtsboten, Postverteilern und Chauffeuren - sofern diese in EG-europäischen Diensten stehen. Denn während Proletariat und Landvolk zwischen Athen und Kopenhagen noch sehnsüchtig auf den vielbeschworenen „europäischen Sozialraum“ der Zwölfer-Gemeinschaft warten, haben die ungelernten Hilfskräfte der EG bereits Eingang ins soziale Paradies gefunden - als Beamte auf Lebenszeit. Zwar werden auch hochqualifizierte, nicht selten promovierte Fachleute, die den sicheren Trampelpfad einer heimisch -nationalen Beamtenlaufbahn gegen eine Schreibtisch in einem der ungastlichen Brüsseler Euro-Silos eingetauscht haben, nicht gerade karg entlöhnt.

Daß aber der Tellerwäscher in der Kantine der EG -Kommission, wenn er auch nicht gerade zum Millionär gerät, so doch immerhin ein sattes Mindestgehalt von 3.000 Märkern netto einstreicht, ärgert nicht nur die Sekretärinnen, die fast fürs gleiche Salär den EG-Diplomaten fachkundig die mehrsprachige Korrespondenz führen. Auch belgischen Facharbeitern oder Lehrern etwa, die in Brüssel höchstens zwei Drittel eines EG-Kutscher-Lohnes verdienen, schwelen da beim Feierabendbier die Zornesadern.

Den generellen Beamtenstatus für alle EG-Bediensteten hat der EG-Ministerrat vor wenigen Jahren auf Wunsch der offenbar allmächtigen Personalvertretung beschlossen. Unter den damals die Treppe Hochgefallenen seien nachweislich, so mault ein promovierter Funktionär, mindestens drei Analpabeten gewesen. Jetzt will die Personalvertretung in weitere soziale Dimensionen vorstoßen: Die Hilfskräfte, vom Postsortierer bis zum Telefonisten, sollen demnächst in die Beamtenkategorie C eingestuft werden. Unser Tellerwäscher, so er denn verheiratet ist und beispielsweise zwei Kinder hat, bringt es dann dank aller möglichen Zulagen locker auf das Monatsgehalt eines bundesdeutschen C-Professors.

Der wiederum sollte sich überlegen, ob es nicht attraktiver wäre, als beamteter Saaldiener im europäischen Parlament Kaffee und Orangensaft an Besuchergruppen auszuschenken. Bei dem dort üblichen Arbeitsaufwand kann er sich nebenbei ja immer noch gemütlich der ethnologischen Feldforschung, etwa über Stammesverhalten und Verkehrsformen der Eurokokken, widmen und darüber wahlweise in einer der neun Amtssprachen Bücher schreiben - und das beim gleichen Gehalt.