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Greifswald-Entscheidung vertagt

■ Bundesreaktorminister Töpfer spricht von „zweitem Zwischenbericht“ über die Sicherheit zur Jahresmitte Bundesdeutsches Umwelt- und Atomrecht soll bald auch in der DDR gelten

Bonn (taz/dpa) - Das Schicksal der maroden Atomzentrale Greifswald an der Ostsee bleibt weiter ungewiß. Die auf Initiative von Bundesreaktorminister Töpfer einberufene gemeinsame Kommission zur Bewertung des Zustandes der vier bisher in Lubmin bei Greifswald betriebenen 440-Megawatt -Reaktoren wird erst zur Jahresmitte einen weiteren Zwischenbericht vorlegen. Das erklärte Töpfer gestern vor dem Umweltausschuß des Bundestages in Bonn.

Ursprünglich sollte bis Ende April ein Abschlußbericht mit einer Empfehlung für den Weiterbetrieb oder die endgültige Stillegung einzelner oder aller Blöcke vorgelegt werden. Die Verzögerung bestätigt Informationen der taz, wonach auch äußerst aufwendige Rekonstruktionsmaßnahmen die störanfälligen Meiler nicht annähernd an heute in der Bundesrepublik vorgeschriebene Sicherheitsstandards heranführen können. Andererseits will Töpfer das bundesdeutsche Atom- und Strahlenschutzrecht künftig „grundsätzlich“ auf die DDR übertragen. Eine endgültige Stillegung brächte darüber hinaus die sowjetischen Hersteller der Greifswalder Atomreaktoren in Bedrängnis: Baugleiche Atomkraftwerke stehen in Bulgarien, der CSFR und der Sowjetunion selbst. Töpfer und sein neuer DDR -Amtskollege Karl-Hermann Steinberg wollen über die Zukunft der Meiler jedoch im Einvernehmen mit den sowjetischen Herstellern entscheiden.

Töpfer erklärte vor dem Ausschuß, die wichtigsten bundesdeutschen Umweltgesetze sollten parallel mit dem Staatsvertrag in DDR-Recht übernommen werden. Ein entsprechendes Gesetz werde gegenwärtig in der gemeinsamen Arbeitsgruppe vorbereitet. Bis zum Jahr 2000 solle das „Umweltgefälle zwischen beiden Teilen Deutschlands auf hohem umweltpolitischem Niveau vollständig ausgeglichen werden“. In einem ersten Schritt will Töpfer die Bestimmungen zur Luftreinhaltung sowie das Abfall- und Wasserrecht auf die DDR übertragen. Industrielle Neuanlagen sollen, so steht es im Entwurf des Staatsvertrags, die in der BRD „geltenden Sicherheits- und Umweltschutzanforderungen“ einhalten. Bestehende Anlagen sollen die Anforderungen dagegen erst „möglichst bald“ erfüllen. Potentielle Investoren lockte Töpfer mit der Ankündigung, ihr Engagement dürfe nicht an der „Vorbelastung“ scheitern. Mit Bonner Hilfe werden nach den Worten des Ministers auch die Umwelt- und Gesundheitsbelastungen durch den Uranerzabbau der Wismut AG in den Gebieten Aue und Ronneburg im Süden der DDR untersucht. Es geht um Belastungen durch das Uranzerfallsprodukt Radon, dem Beschäftigte und Anwohner bereits seit Jahrzehnten ausgesetzt sind.

gero

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