Keine Rede von Markt

■ Die Arbeitslosenzahlen steigen rapide an / 50.000 bis 80.000 werden allein in Dresden erwartet / Besonders betroffen sind Akademiker und Behinderte

Dresden (taz) - Anfang Mai zählten die Arbeitsämter des Bezirkes Dresden 3.634 Arbeitslose. In den ersten vier Monaten des Jahres meldeten sich soviel Bürger wie im gesamten Jahr 1989. Von 50.000 bis 80.000 Arbeitslosen im Bezirk bis Jahresende sprach der Direktor des Bezirksarbeitsamtes Hollman am Dienstag vor der Presse. Konnten Anfang des Jahres noch 18.500 freie Arbeitsplätze gemeldet werden, waren es Anfang Mai nur noch 7.700. Davon bleiben für Arbeitslose mit Hochschul- oder Fachschulabschluß noch 360, für Facharbeiter 4.900 und für Ungelernte 2.300 Arbeitsplätze. In neun Kreisen sind keine oder jeweils nur eine Handvoll Hoch- und Fachschulplanstellen frei.

Zu den Arbeitslosen gehören auch 54 Bürger mit schweren Behinderungen. In den Städten Freital, Riesa und Zittau wurden mit der Reprivatisierung von Betrieben auch geschützte Werkstätten beseitigt. Hier waren Behinderte unter ihnen gemäßen Bedingungen beschäftigt. Vorwürfe gegen das Arbeitsamt wegen der beängstigenden Situation auf dem Arbeitsmarkt konnte Hollman nicht entkräften. Der Willkür einiger Betriebsleiter müsse durch ein Betriebsverfassungsgesetz begegnet werden. In Vorbereitung sei ein Arbeitsförderungsgesetz. Zahlreiche Betriebe halten angesichts unklarer Perspektiven freie Arbeitsstellen noch unbesetzt. Anstatt nach neuer Produktion zu suchen und Arbeitsplätze zu erhalten, werfen sie Beschäftigte raus, um die Kosten zu minimieren.

Hinzu kommt, daß die Ausbildung der Arbeitssuchenden oft nicht mit den Anforderungen der freien Arbeitsplätze übereinstimmen. Mit seinem Umschulungsprogramm will das Arbeitsamt Wege für die Bedingungen auf dem neuen Arbeitsmarkt öffnen. Bisher konnten vor allem im Versorgungs - und Betreuungsbereich und im Baugewerbe Lehrgänge vermittelt werden. Zehn Dresdner erhalten eine Ausbildung an IBM-Rechnern. Neue Wege will Dresden auch mit dem Projekt „Arbeiten und Lernen“ gehen. Die Idee ist, Umschreibungen im Arbeitsprozeß miteinander zu verbinden, was sich bisher besonders bei Bauberufen bewährte. Berufsausbildungsstätten der Betriebe, die oftmals zuerst der Rationalisierung weichen mußten, wollen sich zusammenfinden und gemeinsam Ausbildung und Umschulung organisieren. Allerdings bedeutet eine erfolgreiche Umschulung noch keinen neuen Arbeitsplatz.

Das Arbeitsamt wolle eine begründete Hoffnung erhalten und den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben ermöglichen. Die Umschüler können hoffen, daß ihr Lehrgangsabschluß von den Betrieben anerkannt wird. Dies zu garantieren ist eine der wichtigsten Aufgaben der Bezirke, wozu auch gehört, während der Umschulungszeit bereits Vermittlungsgespräche mit den Betrieben über Probleme zu führen.

dk Siehe dazu auch Seite 11