Folgen der „Sozialunion“

■ Ab 2. Juli in der DDR: Zehn Prozent weniger Lohn

Berlin (taz) - Das, was man gemeinhin „Sozialunion“ nennt, ist Gegenstand von Geheimverhandlungen zwischen Bonn und Ost -Berlin. Die Ostberliner Experten „arbeiten“, sie sitzen im Schloß Niederschönhausen in Klausur. Sie „lernen“: Was „am Morgen gilt, ist schon am Abend überholt“. Das Ganze geschieht unter Bonner Aufsicht.

Dabei zeichnet sich eines sicher ab: Mit dem 2. Juli werden die Nettolöhne in der DDR zunächst um 10% sinken. Die „Sozialunion“ führt dazu, daß von diesem Zeitpunkt an die in der Bundesrepublik üblichen Anteile des Lohns für die Sozialversicherung entrichtet werden. Das sind für die Arbeitnehmer 17,5% des Bruttolohns, der ihnen anteilig für Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung abgezogen werden wird. Bisher zahlen die Arbeitnehmer in der DDR 10%, maximal aber nur 60 Mark, im Durchschnitt also sieben bis acht Prozent ihres Lohns, in die Sozialversicherungskassen ein.

In ihrem Entwurf zum Staatsvertrag verlangt die DDR-SPD eine „schrittweise“ Übernahme des bundesdeutschen Systems bis zum 1. Januar 1992. Das würde Zuschüsse aus der Bundesrepublik erfordern, um die Sozialversicherungen der DDR bis zu diesem Zeitpunkt zu finanzieren. Der Refrain der Bonner SPD ist: „Kohl, der den schnellen Anschluß gewollt hat, soll sagen, wie er ihn bezahlt.“ Kohl hat allerdings schon gesagt, was er tun wird. Bonn gibt nur eine „Anschubfinanzierung“: 4,5 Milliarden DM für die Zinsen. Für alle anderen Finanzierungsprobleme erklärt Kohls Wiedervereinigungsberater Hans Tietmeyer: Die DDR hat möglichst schnell ihr Staats- und Volksvermögen zu verkaufen und daraus ein „Treuhandvermögen“ zu bilden, durch das „das Staatsdefizit der DDR abzubauen“ ist. Die „Sozialunion“ setzt nach diesem Konzept zunächst auf Verarmung und soziale Konflikte. Aufgefangen werden müssen sie nach den Vorstellungen Tietmeyers aus dem Haushalt der DDR, dessen Defizite über den Verkauf des staatlichen und gesellschaftlichen Eigentums der DDR gedeckt werden müssen. Dieser Verkauf wird sich jedoch zu extrem ungünstigen Konditionen vollziehen.

Götz Aly