Tino Schwierzina probt am Alex die Bürgernähe

■ Stadtgespräch nach Westberliner Vorbild auf dem Alexanderplatz / „Das ist so 'ne Art Seelenstreicheln“

Ost-Berlin. Gestern nachmittag stellte sich Tino Schwierzina, künftiger Oberbürgermeister von Ost-Berlin, den Fragen seiner BürgerInnen. „Ohne Momper sieht er ja ein bißchen nackt aus“, war die Reaktion eines der etwa 200 Passanten, die sich um die Bühne vor dem Centrum-Warenhaus versammelt hatten. Bis der Hauptdarsteller mit einem „Hier is er“ auf die Bühne kam, spielte Walter Mompers Hauskapelle, das Jazz-Kränzchen aus Spandau, auf.

Derweil saß der designierte Oberbürgermeister völlig unbehelligt und von den meisten Passanten unerkannt hinter der Bühne. Bürgerkontakt in Form von Straßendiskussionen hält er für sinnvoll, da sie sich auch in der Phase der Westberliner Senatsbildung bewährt hätten. Anfassen will er sich lassen und den BerlinerInnen zeigen, daß er nicht abheben wird. „Das ist so 'ne Art Seelenstreicheln hier“, faßt er die Bedeutung dieser Stadtgespräche zusammen.

Auf der Bühne betont er dann die Einflußmöglichkeiten der SPD bei der Magistratsbildung, da seine Partei ja, anders als in der Volkskammer, die Konditionen für die Regierungsbildung festlege. Er empfahl sich als „beharrlicher Liebhaber“, der nach wie vor mit offenen Armen auf die Zusage des Bündnisses 90 warte, um mit ihnen eine Regierung zu bilden.

Als das Mikrofon für die BürgerInnen freigegeben wurde, kamen die ersten Fragen von Westdeutschen, die sich über teure Bananen beschwerten oder ihre Verwandten in Mannheim grüßen wollten, bis der Moderator höflich um Vortritt für die Ostberliner bat. Deren erste Frage galt den „Republikanern“ in Lichtenberg, worauf Schwierzina versprach, daß sich die SPD mit allen Kräften gegen eine Zulassung der Partei wehren werde. Ansonsten gab's die bekannten Versprechungen wie Mietpreisbindung und die Schaffung städtischer Eigenbetriebe.

Martina Meyer imponiert das wenig. Sie wartet seit acht Wochen vergeblich auf einen Krippenplatz und hält „das da oben alles nur für dummes Gequatsche“.

Claudia Haas