Kein Konzept gegen die weitere Tropenwaldzerstörung

Die internationale Kritik am Tropenwaldaktionsplan der Weltbank wächst / Die Programme konzentrieren sich auf die Förderung der industriellen Holznutzung, während der Naturschutz vernachlässigt wird / Die Holzwirtschaft soll zum wichtigsten devisenbringenden Sektor aufgebaut werden / BMZ ist größter bilateraler Geldgeber  ■  Von Barbara Unmüßig

Die öffentliche Kritik an Konzept und Praxis des Tropenwaldaktionsplanes (TFAP) wird immer stärker. Internationale Umweltorganisationen und das World Rainforest Movement fordern mittlerweile eine umfassende Korrektur und ein Moratorium für alle Auszahlungen. Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), derzeit wichtigster bilateraler Geber im Rahmen des TFAP, räumt ein, daß einzelne Empfehlungen und Projektmaßnahmen überdenkenswert sind, hält aber an der Finanzierung des TFAP fest.

Im letzten Monat veröffentlichte das World Rainforest Movement eine Auswertung sieben verabschiedeter nationaler Aktionspläne. Das Ergebnis ist vernichtend: Der TFAP ist kein Konzept gegen die weitere Tropenwaldzerstörung. Im Gegenteil. Im TFAP tickt eine ökologische und soziale Zeitbombe, weil mit ihm große Primärwaldgebiete zerstört oder degradiert werden und die (Über-)Lebensinteressen der Waldbewohner sowie der armen und ärmsten Bevölkerung (zum Beispiel in Wiederaufforstungsgebieten) völlig ignoriert werden.

Die Empfehlungen und Projektmittel aller bisher bekannten Länderpläne belegen die Konzentration des TFAP auf die Förderung der industriellen Holznutzung oder des „management for industrial use“. Der „Schutz durch nachhaltige Nutzung“ soll die unkontrollierte und deshalb zerstörerische Forstwirtschaft ablösen. Der TFAP folgt damit auch dem Credo einiger einflußreicher bundesdeutscher Forstwissenschaftler, die die Umwandlung tropischer Regenwälder „zu volkswirtschaftlich wertvollen Gütern“ für unentbehrlich halten.

Die Handschrift der Weltbank bei allen Tropenwaldaktionsplänen ist unverkennbar: Sie entsprechen konzeptionell der klassischen Sektorpolitik der Bank und ordnen sich als solche nahtlos in die Zielsetzungen der Strukturanpassungsprogramme ein. Die Mobilisierung forstwirtschaftlicher Ressourcen für den Weltmarkt und damit verknüpft der Ausbau und die Effektivierung der Forstadministrationen genießen absoluten Vorrang vor dem Schutz tropischer Waldökosysteme und ihrer Bewohner. Für den Ökosystemschutz sind im Durchschnitt weniger als zehn Prozent aller Investitionen im Rahmen des TFAP vorgesehen. In einigen Länderplänen fehlt er.

Die nationalen Aktionspläne streben an, den Holzwirtschaftssektor zu einer wichtigen Devisenquelle für die hochverschuldeten Tropenwaldländer zu machen.

Degradierte Wälder

Für Peru ist beispielsweise eine Steigerung der Holzproduktion zwischen 390 Und 590 Prozent bis zum Jahr 2000 vorgesehen. Der peruanische Aktionsplan versäumt jedoch, konkrete Lösungsvorschläge für die sozioökonomischen Ursachen der unkontrollierten Besiedlung durch landlose Bauern zu erarbeiten (Landfrage und Rechtstitel) oder Maßnahmen vorzuschlagen, wie die weitere Kolonisierung entlang der Erschließungsstraßen verhindert werden kann.

In Ghana ist für den Kauf des Fuhrparkes für die Forstwirtschaft eine höhere Projektsumme als für die lokale Brennholzgewinnung veranschlagt.

Kamerung soll mit Hilfe des TFAP beim Start ins 21. Jahrhundert zum wichtigsten afrikanischen Holzexporteur werden. Dieses Ziel ist jedoch nur zu erreichen, wenn neue Waldgebiete erschlossen werden. Denn die Reserven aller bisher zugänglichen und lizenzierten Holzeinschlaggebiete sind nahezu erschöpft. Die 15jährige kommerzielle Nutzung kamerunischer Wälder hat ihre Spuren hinterlassen: Die Wälder Nord- und Zentralkameruns sowie die Küstenwälder sind aufgrund land- und forstwirtschaftlicher Übernutzung degradiert oder zerstört. Lediglich der Süden und Südosten des Landes ist noch mit dichtem tropischem Regenwald bedeckt. Dort leben auch circa 50.000 Pygmäen und vom Aussterben bedrohte Arten wie der afrikanische Waldelefant und Gorillas. Um diese Region nun zu erschließen, hält der kamerunische TFAP den Bau einer 600 Kilometer langen Straße von der Küste ins Landesinnere sowie einen Tiefseehafen für dringend erforderlich. Zwar sind keine Projektmittel des kamerunichen TFAP (insgesamt 136 Millionen US-Dollar), für diese Infrastruktur vorgesehen. Dennoch ist davon auszugehen, daß die kamerunische Regierung private Investoren und Kreditgeber zur Finanzierung solchermaßen attraktiver Projekte finden wird.

Alleine 27 Prozent des Gesamtbudgets des TFAP entfallen jedoch auf den Ausbau holzverarbeitender Industrien und ein Löwenanteil (38 Prozent) ist der Effektivierung forstwirtschaftlicher Institutionen und der Schulung forstwirtschaftlichen Personals vorbehalten. Lediglich sieben von insgesamt 58 Projekten sind dem Naturschutz (bessere Finanzausstattung der Nationalparks etc.) gewidmet. Um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der kamerunischen Holzindustrie zu garantieren, schlägt der TFAP unter anderem Steuer- und Zollerleichterungen sowie direkte staatliche Subventionen (Transportsektor) vor.

Selbst wenn es Kamerun gelänge, die angestrebten Produktionsziele mit ökonomischen, technischen und administrativen Maßnahmen in Einklang zu bringen, ist ein wirtschaftlicher Mißerfolg nicht auszuschließen. Denn die Tropenwaldaktionspläne zahlreicher afrikanischer Länder (Ghana, Guinea, Elfenbeinküste, Zaire) basieren auf ähnlichen Empfehlungen und forcieren ebenso den Export tropischer Hölzer oder holzverarbeitender Produkte. Ob der Weltmarkt dieses wachsende Angebot langfristig überhaupt aufnehmen kann, ist zu bezweifeln.

In das ökonomische Kalkül passen die Bedürfnisse und Lebensrechte der Mehrheit der kamerunischen Bevölkerung nicht. Nicht ein einziges der vorgeschlagenen 58 Projekte basiert auf der vorherigen Einbeziehung der Bevölkerung. Lediglich als Faktor Arbeitskraft in den holzverarbeitenden Industrien oder auf den Plantagen finden sie Eingang in die TFAP-Überlegungen. Der zu erschließende tropische Regenwald im Süden und Südosten scheint den „Pionieren“ gar als menschenleer. Im kamerunischen TFAP jedenfalls werden sie nicht erwähnt, und so sind auch keine speziellen Schutzrechte für die dort lebenden Pygmäen vorgesehen.

Kosmetische Korrekturen

Trotz aller öffentlicher Kritik ist aus vielerlei Gründen dennoch nicht mit einer einschneidenden Korrektur des TFAP zu rechnen. Die vom FAO-Koordinierungssekretariat eingesetzte Prüfungskommission ist weder personell noch finanziell so ausgestattet, daß sie alle TFAPs entsprechend überprüfen kann. Ihr Anliegen ist auch insofern unglaubwürdig, als Nichtregierungsorganisationen aus den Tropenwaldländern nicht beteiligt sind.

Auf mehr als kosmetische Korrekturen werden sich die 67 Regierungen der Dritten Welt, die die Durchführung oder Erstellung nationaler Aktionspläne akzeptiert haben, nicht einlassen. Denn die Empfehlungen und Rahmenplanungen des TFAP sowie die konkreten Projektmittel versprechen neue Kredite und Investitionen und damit für viele einen bequemen Ausweg aus der ökonomischen Krise. Der TFAP verlangt keine schmerzhaften Eingriffe in die Produktionsstrukturen. Sie sollen weder natur- und sozialverträglicher noch demokratischer, sondern effizienter und weltmarktgerechter gestaltet werden.

Die Wirksamkeit der Maßnahmen wird kaum hinterfragt. Im Mittelpunkt der Gebertreffen stehen Kosten-Nutzen-Analysen. Erst allmählich werden Studien in Auftrag gegeben, die alternative Tropenwaldnutzungsformen betriebswirtschaftlich berechenbar machen sollen. Die Bundesregierung hat bisher nicht signalisiert, sich international für ein Moratorium des gesamten TFAP-Prozesses einzusetzen oder bundesdeutsche Auszahlungen für Tropenwaldaktionspläne zu sperren. Sie setzt eher auf eine Stärkung des FAO -Koordinierungssekretariats und hat erst kürzlich drei Millionen DM zu dessen finanzieller Ausstattung bewilligt.

Vorabdruck aus dem neuen Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung (leicht gekürzt)