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„Chancen gibt's immer!“

Manfred Güllner, Chef des Dortmunder Meinungs- forschungsinstituts Forsa, zu den Wahlprognosen  ■ I N T E R V I E W

taz: Der Spitzenkandidat der NRW-CDU, Norbert Blüm, dessen Partei derzeit etwa 36 Prozent prognostiziert werden, gibt sich optimistisch, Johannes Rau doch noch ablösen zu können. Schließlich hätten die DDR-Wahlprognosen auch ziemlich danebengelegen.

Manfred Güllner: Ich sehe keinen Hoffnungsschimmer für Blüm in NRW. Dafür sind die Sympathiewerte für ihn zu tief im Keller. Der Hinweis auf die DDR geht fehl, denn in der DDR konnte es bei den ersten freien Wahlen keine vernünftige Prognose geben.

Bei der NRW-Kommunalwahl 1989 ist die SPD auch wesentlich überschätzt worden. Statt der noch kurz vor dem Urnengang prognostizierten 49 Prozent kamen am Ende nur 42,9 heraus...

...und das kann sich wiederholen, daß sich Stimmungen nicht in Stimmen umsetzen. Die Frage aber ist, ob die CDU in NRW Chancen hat. Wenn ich von den 37,5 Prozent bei der Kommunalwahl ausgehe und weiter in Rechnung stelle, daß das Landtagswahlergebnis 1985 noch darunter lag, dann gibt es keine Chancen der CDU, die 40 Prozent oder sogar noch mehr zu erreichen.

Gibt es in Niedersachsen Chancen für einen Wechsel?

Niedersachsen ist wesentlich schwieriger einzuschätzen. Zwar ist die Stimmung für die SPD besser als 1986. Aber ob sie es schafft, hängt von den letzten Tagen des Wahlkampfes ab. Auch 1986 hat die CDU noch in den letzten Tagen durch eine ungeheure Mobilisierung die Wahl für sich entscheiden können. Chancen für einen Wechsel bestehen aber durchaus.

Schaffen die Grünen den Sprung in Hannover und Düsseldorf?

Es wird sich bei der Landtagswahl wohl auch niederschlagen, daß die Grünen bundesweit nicht in bester Verfassung sind. Das hat sicher auch mit der deutschen Entwicklung zu tun, denn zu diesem großen Thema haben die Grünen keinen richtigen Zugang gefunden. Vorauszusagen, ob die Grünen es dennoch in beiden Ländern schaffen, halte ich für unmöglich.

Nach der Europawahl und den Kommunalwahlen in Nordrhein -Westfalen schien es so, als seien die Reps nicht zu stoppen. Das sieht inzwischen anders aus...

In der Tat. Angesichts dieses großen Themas, das ja alle Wählergruppen ergriffen hat, finden diejenigen, die zuletzt von der CDU und von der SPD zu den Reps gewechselt sind, es unanständig, in dieser historischen Situation ihre bisherige Partei zu verlassen. Das wird in diesem Jahr, sicher auch bis zur Bundestagswahl, so bleiben.

Interview: Walter Jakobs

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