Ein verfolgtes Buch, ein verjagter Autor

■ Abderrahman Munif kennt die Ölwirtschaft aus eigener Erfahrung / Vertreibung und Zerstörung sind die Folgen des Ölreichtums

Abdarrahman Munif wurde 1933 in Amman geboren, der Vater war ein saudi-arabischer Kaufmann, die Mutter Irakerin. Munif studierte Ökonomie und Ölwirtschaft in Bagdad, Kairo und Belgrad. 1963, als er sein Studium abgeschlossen hatte, teilte ihm die saudi-arabische Regierung mit, er sei ausgebürgert worden. Seine Bemühungen, von Damaskus aus einen neuen Paß zu bekommen, blieben ohne Erfolg. Von 1965 bis 1973 arbeitete er in Syrien in der Erdölbranche, später als Journalist in Beirut; er schrieb einige Fachbücher über die Erdölwirtschaft. Von 1975 bis 1981 war er Chefredakteur einer Erdöl-Fachzeitschrift in Bagdad. Die folgenden fünf Jahre verbrachte er in Paris, als freier Schriftsteller; heute lebt er in Damaskus.

1973 erschien sein erster Roman, dem sechs weitere folgten. Sein bedeutendstes Werk ist die fünfbändige Romanfolge „Die Salzstädte“ (mudun al-milh), erschienen 1984 bis 1989, deren erster und dritter Band auch in englischer Übersetzung vorliegt. In Saudi-Arabien und in den meisten Golfstaaten ist das Werk verboten - nach den „Salzstädten“ wird gefahndet wie nach Waffen oder Rauschgift. Reisende werden am Flughafen nach dem Buch gefragt und manche Zollbeamte rühmen sich, wieviele Exemplare sie bereits beschlagnahmt haben.

„Die Salzstädte“ erzählt die Geschichte eines fiktiven Königreiches in der Golfregion und beschreibt den Wandel von der Beduinen- zur Ölgesellschaft, eine Entwicklung, die mit der Entdeckung der Ölvorkommen, in den frühen 30er Jahren, ihren Anfang nimmt und noch nicht abgeschlossen ist. Im ersten Buch wird die Zerstörung der alten sozialen Strukturen geschildert: Die Menschen müssen dem Öl weichen, sie werden in die künstliche Welt neu erbauter Städte verpflanzt. Die traditionellen Herrschaftsformen wandeln sich, eine staatsbildende Klasse entsteht, die den Gang und das Tempo der Entwicklung bestimmt, den Prozeß der Industrialisierung forciert. Aller Reichtum, alle Macht liegt in ihren Händen, und ein perfekter Unterdrückungsapparat sichert diesen Zustand.

Munif zeigt das unter anderem am Schicksal einer Siedlung, die Wadi al-uyun (Tal der Wasserquellen) heißt - eine grüne Oase inmitten der Wüste. Nur die gelegentliche Wasserknappheit unterbricht das ruhige Leben der Bewohner. Voller Neugier erwarten sie die Karawanen, die im Wadi halt machen und Neuigkeiten aus der Welt und von den ausgewanderten Söhnen und Brüdern bringen. Mit der Ruhe ist es vorbei als eine kleine Gruppe von Amerikaner eintrifft, die, mit dem Einverständnis der Emire und Sultane nach Erdöl sucht. Die Bewohner der Oase ahnen Schlimmes - die Fragen und das Verhalten der Fremden wecken ihr Mißtrauen. Und es dauert nicht lange, da müssen sie ihre Oase verlassen. Öl ist entdeckt worden, alles wird dem Erdboden gleich gemacht. Einige dürfen in den Lagern der Amerikaner arbeiten oder in der provisorischen Barackensiedlung, die bald darauf auch verschwinden muß. Die Menschen tragen nun Overalls, leben zusammengedrängt in Behausungen aus Beton und Blech, die mit Stacheldraht umzäunt sind.

Allmählich beginnt der Geldstrom zu fließen, große Versprechungen werden gemacht. Bei den Herrschern, die zunächst eher desinteressiert sind oder naiv begeistert von den technischen Errungenschaften des Westen, den Autos und Telefonen, wird die Habgier geweckt. Gelenkt von amerikanischen und arabischen Beratern, umgeben von einer Clique von Profiteuren, verfallen sie in einen Macht- und Geldrausch und scheuen kein Mittel, um ihre Position zu verteidigen.

Ein Staat entsteht, der in der Unterdrückung seiner Untertanen, in Enteignung, Verfolgung und Verbannung legitime Formen zur Sicherung seines Bestehens sieht. Norbert Matte