„Wo bleibt denn einer von der FDP?“

Die Sozialdemokraten warteten schon nach der ersten Hochrechnung auf ein Vortasten der Freidemokraten  ■  Aus Hannover Axel Kinzinger

Johannes Bruns machte den gefaßtesten Eindruck. Der niedersächsische SPD-Vorsitzende, alles andere als ein Freund rot-grüner Koalitionen, sah sich mit orgiastischem Jubel aus den eigenen Reihen konfrontiert, als die erste Hochrechnung über die Bildschirme lief. Im Sitzungssaal der SPD-Fraktion fielen sich Abgeordnete und Parteifreunde in die Arme und machten, spitze Schreie auch bei Bekanntgabe des grünen Abschneidens ausstoßend, keinen Hehl aus der von ihnen favorisierten Regierungskonstellation.

Die ehemalige Greenpeace-Chefin Monika Griefhahn, als Umweltministerin im Schattenkabinett der SPD, wirbelte ihren Sohn durch die Luft und gab unumwunden zu Protokoll, keinerlei Probleme mit dem Gedanken an eine rot-grüne Koalition zu haben. Heidi Alm-Merk, der gute Chancen als zukünftige Justizministerin eingeräumt werden, machte aus ihrem Herzen ebenfalls keine Mördergrube und attestierte einer Liaison aus SPD und Grünen die meisten Gemeinsamkeiten. Kein Wunder: Die FDP, die ebenfalls als Koalitionspartnerin zur Verfügung steht, hat sich in den letzten vier Jahren zu wenig profiliert und wird von den feiernden Sozialdemokraten eindeutig zum konservativen Lager gezählt. Hinzu kommt, daß die Freidemokraten sich mit einer Koalitionsaussage zugunsten der CDU festgelegt hatten. Aber das muß - wissen auch die SPDler - nicht viel heißen. Schon vor der zweiten Hochrechnung witzelten die ersten von ihnen: „Wo bleibt denn einer von der FDP, um mit uns über ein Regierungsbündnis zu reden?“

Nur Peter von Oertzen, einer der letzten Marxisten in der SPD, warnte vor einem falschen Eindruck: „Die hier jubeln“, schränkte er trotz Freude gegenüber der taz ein, „kommen überwiegend aus dem SPD-Bezirk Hannover“. Und der ist linker gepolt als diverse andere, vor allem ländliche SPD-Bezirke.

Im Sitzungssaal der CDU war es so ruhig, daß die konsternierten Christdemokraten sogar den Jubel ihrer Konkurrenz, der durch die Wände drang, mitanhören mußten. Betretenes Schweigen auch bei der FDP. Ihr Spitzenkandidat, Noch-Wirtschaftsminister Walter Hirche, wiederholte gebetsmühlenartig: „Wir müssen die weitere Entwicklung abwarten.“

Freude über die sich anbahnende Ablösung des nahezu verhaßten Ministerpräsidenten Ernst Albrecht und Zittern wegen der ungewissen Chance einer rot-grünen Koalition dominierten in den Fraktionsräumen der Grünen. Nur vor den Fernsehkameras gaben sie sich zuversichtlich, strahlten, wie etwa der Anti-Atom-Kämpfer Hannes Kempmann, Siegesgewißtheit aus.