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Popanz Bundesratsmehrheit

■ Vermittlungsausschuß wird zur entscheidenden Kungelrunde zwischen CDU und SPD

Theoretisch, rein theoretisch könnte der Umsturz in Niedersachsen sich auch auf die Bundespolitik erheblich auswirken. Im Bundesrat sind nämlich demnächst die sozialdemokratisch regierten Länder mit 23 gegen 18 Stimmen in der Mehrheit. Sie wären also imstande, Gesetzgebungsverfahren zu verzögern, gar zu verhindern sprich: Der Einfluß der Sozialdemokraten auf die Politik der Regierung in Bonn könnte deutlich wachsen.

Ungefähr der Hälfte aller vom Bundestag beschlossenen Gesetze muß die Länderkammer zustimmen. Verweigert die Mehrheit des Bundesrates in der letzten Lesung eines Gesetzes seine Zustimmung, so wird - vom Bundesrat oder vom Bundestag oder von der Bundesregierung - der gemeinsame Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat angerufen. Dieser gemeinsame Vermittlungsausschuß arbeitet einen Kompromiß aus. Der wird dann dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt. Nimmt ihn dort die Mehrheit an, so ist das Gesetz durch.

Stimmen nicht genügend Abgeordnete dafür, so erarbeitet der Vermittlungsausschuß einen zweiten Kompromiß und - falls auch dieser nicht angenommen wird - einen dritten. Besteht der letzte ebenfalls nicht vor dem Bundestag, so scheitert der Gesetzentwurf.

„Mit großer Ruhe“, so tat Bundeskanzler Kohl gestern vor der Bonner Presse kund, sehe er den neuen Mehrheitsverhältnissen in der Länderkammer entgegen. Dies kann er auch. Von 1969 bis 1982 hatten die unionsregierten Länder im Bundesrat die Mehrheit. An der Bundesregierung waren SPD/FDP.

Nur 20 von vielen hundert Gesetzentwürfen scheiterten an der fehlenden Zustimmung - etwa der Entwurf für ein neues Jugendhilfegesetz. In den allermeisten Fällen fand sich ein Kompromiß. Außerdem geben die Sozialdemokraten schon seit vorgestern zu verstehen, daß sie via Bundesratsmehrheit eines nicht verhindern werden: Die zur Vereinigung notwendigen Gesetze wie etwa den Staatsvertrag.

An wichtigen Gesetzesvorhaben stehen sonst nur noch die Entwürfe für ein neues Bundesdatenschutzgesetz und die Geheimdienstgesetze an. Sie werden nun vermutlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet. Ob die sozialdemokratischen Bundesländer sie nach (gesamt)deutschen Wahlen weiter verhindern könnten, ist fraglich: Es hängt davon ab, ob sie auch in einem Gesamtdeutschland ihre Bundesratsmehrheit behalten.

Ferdos Forudastan

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