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„Staatsvertrag mit der DDR verhindern“

Der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann über die Gründe für Rot-Grün in Niedersachsen  ■ I N T E R V I E W

taz: Die niedersächsischen Grünen haben es sehr eilig mit den Koalitionsverhandlungen, sitzen euch Schröders Angebote an die FDP im Nacken?

Hannes Kempmann: Da gibt es viel wichtigere Gründe für die Eile. Wir wollen, daß am 21. Juni, dem ersten Tag der neuen Legislaturperiode, Gerhard Schröder von einer rot-grünen Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Am 22. Juni darf es nämlich im Bundesrat keine Mehrheit für den Staatsvertrag über die Währungsunion geben, der in der jetzigen Form für uns und wohl auch für die SPD nicht akzeptabel ist.

Die Ablehnung des Staatsvertrages wird einer der wichtigsten Punkte der Koalitionsverhandlungen sein?

Schon bei unserem ersten Gespräch am Donnerstag nachmittag wird Gerhard Schröder seinen Zeitplan offenlegen und sagen müssen, ob er schon am 21. Juni gewählt werden will. Nach unserem Terminplan ist das möglich, wir würden dann unsere Landesversammlung, die das Verhandlungsergebnis zu beraten hat, auf den 16./17. Juni vorziehen.

Für die Verhandlungen sind die Konflikte schon vorprogrammiert: Strittig ist da die Besetzung des Umweltministeriums und der Abbruch der niedersächsischen Endlagerprojekte.

Für das Endlager Gorlebens gibt es gleiche Aussagen in den Programmen von Grünen und SPD: ungeeignet. Schacht Konrad wird ein Konfliktpunkt werden. Hier wackelt die SPD völlig: vor Ort dagegen, auf Landesebene völlig unentschlossen und auf Bundesebene dafür. Es wird kein rot-grünes Regierungsbündnis geben, wenn Schacht Konrad nicht gekippt wird.

Auch eine zweite Teilerrichtungsgenehmigung für die PKA Gorleben darf es nicht geben. Auch die SPD hat sich ja auf Landesebene immer eindeutig gegen diese Anlage und diesen Standort ausgesprochen. Für unsere Verhandlungen brauchen wir jetzt aber auch den Druck der AKW-Initiativen vor Ort, sie müssen gerade jetzt auf die Straße gehen. Kein AKW in der Bundesrepublik hat mehr einen Entsorgungsnachweis, wenn man auch nur minimalen Sicherheitskriterien Geltung verschafft und die hiesigen Entsorgungsprojekte kippt.

Ein Abbruch der Entsorgungsprojekte muß aber erst einmal gegen den Widerstand des Bundes durchgesetzt werden. Da denkt man doch gleich an die hilflosen Versuche in Schleswig -Holstein, Brokdorf stillzulegen.

Dieses Beispiel zeigt doch nur, daß wir die konkreten Schritte zur Stillegung schon in den Koalitionsvereinbarungen festlegen müssen. Dazu gehört auch, wie man gegebenenfalls auf Weisungen des Bundes und in Gerichtsverfahren reagiert. Man darf diese Fragen, wie es manche in der SPD vorhaben, nicht irgendwelchen Kommissionen überantworten, die erst nach der Regierungsbildung zusammentreten.

Dies alles ist ja wohl nur mit einem grünen Umweltminister möglich, aber da will sich die SPD querstellen.

Wir wollen das Umweltministerium besetzen, weil wir die bessere Umweltpolitik machen. Aber in den Koalitionsverhandlungen wird zuerst über Sachfragen, dann über Strukturen und am Ende über Personen gesprochen. Schon jetzt müssen wir allerdings verhindern, daß die abgewählte Regierung Albrecht gerade im Atombereich noch schnell vollendete Tatsachen schafft.

Wenn die versuchen, jetzt den ersten hochradioaktiven Müll, den ersten Castor-Behälter nach Gorleben zu schicken, dann würde das vor Ort eine blutige Schlacht geben.

Interview: Jürgen Voges

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