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Daimler-Benz auf dem langen Marsch zum Erfolg

Daimler-Benz-Chef Edzard Reuter stellte die Unternehmensbilanz für 1989 vor  ■  Von Isolde Haug

Stuttgart (ap) - Die atmosphärische Veränderung im Automobilmuseum der Stuttgarter Daimler-Benz AG war fast mit Händen greifbar. Vor einem Jahr, als Deutschlands größter Industriekonzern kurz vor dem Einstieg in das Rüstungs- und Raumfahrtunternehmen MBB stand, lag Aufbruchstimmung in der Luft. Am Dienstag jedoch, als Daimler-Chef Edzard Reuter die Unternehmensbilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr vorlegte, war vom „Griff nach den Sternen“ nicht mehr die Rede. „Mit langem Atem zum Erfolg“ heißt nunmehr die Devise, unter der sich das Unternehmen auf dem Marsch zum erfolgreich operierenden Mischkonzern gemacht hat.

Zu den internen Problemen, denen sich der durch Firmenkäufe zum „Riesentanker“ aufgeblähte Automobilhersteller konfrontiert sieht, gesellen sich externe hinzu: der Dollarkursverfall ebenso wie die anhaltende Absatzkrise bei Dieselfahrzeugen oder die völlig neue Auftragslage in der Wehrtechnik nach der Öffnung Osteuropas zum Westen. „Erst in einigen Jahren werden wir wissen, ob Daimler-Benz genügend Wasser unterm Kiel hat oder auf ein Riff aufgelaufen ist“, orakelte der passionierte Segler Reuter am Vorabend der Bilanzpressekonferenz vor 300 Journalisten aus aller Welt. Bei hausgebeiztem Lachs und Kalbsrücken auf Morchelsahne gab sich der 62jährige Manager gleichwohl optimistisch. Die jüngsten Berichte von Wirtschaftsmagazinen über einen Ertragseinbruch im Stammgeschäft mit Autos aus Untertürkheim wies er mit beißender Ironie zurück. Beim Friseur habe er „in bunten Blättern“ viel Neues über sich und sein Unternehmen erfahren.

In der Bilanz für das vergangene Jahr spiegelt sich erstmals die Neuorganisation von Daimler als geschäftsführende Obergesellschaft mit den vier Unternehmensbereichen Mercedes-Benz, Deutsche Aerospace (MBB, Dornier, MTU), AEG sowie als jüngstem Kind dem Dienstleistungszweig „Daimler-Benz Interservices“ (Debis). Reuter sprach von einem „Rechenwerk, das ganz zwangsläufig mehr als verschlungen ist“.

Für zusätzliche Verwirrung sorgte eine Neubewertung der bisher besonders niedrig angesetzten Vorräte und Pensionsrückstellungen, wodurch sich der Bilanzgewinn des Konzerns 1989 von 1,7 Milliarden auf 6,8 Milliarden D-Mark vervierfachte.

Für Finanzspezialist Liener läßt sich nicht leugnen, „daß wir seit 1985 stagnierende Jahresergebnisse ausweisen“. Es könne nicht erwartet werden, daß „der Umbau des Konzerns“ spurlos an den Erträgen vorbeigehe. Zur Bewältigung des Kraftaktes stockte Daimler unter anderem sein Eigenkapital um zwei Milliarden auf 17 Milliarden D-Mark auf, indem neue Aktien ausgegeben wurden.

Dadurch verringerte sich aber auch der Gewinn je Aktie um mehr als sechs auf 51 D-Mark. Den Aktionären, unter ihnen als größter Anteilseigner die Deutsche Bank, wird die Gesellschaft bei einer unveränderten Dividende von zwölf D -Mark insgesamt 555 Millionen D-Mark überweisen. Die andere Hälfte des bei der Obergesellschaft ausgewiesenen Jahresüberschusses von 1,1 Milliarden D-Mark wurde den Gewinnrücklagen zugewiesen.

Investieren will der Konzern in diesem Jahr nach Angaben Reuters rund acht Milliarden D-Mark - etwas mehr als 1989, wo Daimler einschließlich des Kaufs neuer Unternehmen 7,6 Milliarden D-Mark für die Stärkung seiner Wirtschaftskraft ausgab. Die reinen Sachinvestitionen beliefen sich auf 5,2 Milliarden D-Mark.

Mit der Übernahme von MBB erhöhte sich die Zahl der Daimler -Beschäftigten um neun Prozent auf 368.226, davon knapp 300.000 im Inland. Reuter versicherte, die geplante Zusammenarbeit mit dem IFA-Kombinat Nutzkraftwagen in der DDR werde keine negativen Beschäftigungseffekte in den bundesdeutschen Werken haben.

Neben dem Einstieg in das DDR-Geschäft nannte der Vorstandsvorsitzende als weitere Pläne für die nächste Zukunft die Zusammenarbeit mit dem japanischen Industriekonzern Mitsubishi, wobei konkrete Projekte erst noch sondiert werden müssen. Bei der Herstellung von Triebwerken für die Luft- und Raumfahrt wird eine Zusammenarbeit von MTU mit dem US-Unternehmen Pratt und Whitney vorbereitet.

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