Einsatz gegen Behinderte

■ Ein Protestzug von Behinderten gegen die Zustände im öffentlichen Nahverkehr wurde von der Polizei mit sogenannter „einfacher körperlicher Gewalt“ aufgelöst

West-Berlin. „Busse und Bahnen für alle“ forderten gestern eine Gruppe Behinderter in einem kleinen Protestzug in der City. Nachdem sie ohne Erfolg versucht hatten, im Hotel Intercontinental, dem Tagungsort des Verbandes Öffentlicher Verkehrsbetriebe, direkt mit den Bossen des öffentlichen Nahverkehrs über ihren Ausschluß von selbigem zu diskutieren und es dort (siehe nebenstehenden Kasten) zu haarsträubenden Zwischenfällen gekommen war, entschlossen sie sich zu einem Protestmarsch Richtung Zoopalast.

Die 25 Behinderten, darunter 15 Rollstuhlfahrer, wurden von den begleitenden Polizisten immer wieder aufgefordert die Straße zu räumen und sich auf die Busspur zu beschränken. Das lehnten sie aber mit dem Hinweis ab, daß dann ihre Forderungen vom Lärm der vorbeirauschenden Autos geschluckt würden. Am Kreuzungsbereich Kantstraße/Budapester Straße hielt der 39jährige Rollstuhlfahrer Michael Eckerhart eine kurze Abschlußrede.

Die Polizeikräfte, die jetzt 38 Mann zählten, versuchten die Gruppe mit „einfacher körperlicher Gewalt“ an den Straßenrand zu drängen. Freiwillig begab sich die friedliche Gruppe dann auf den Bürgersteig vor den Zoopalast. Der Einsatzführer, der offenbar Schwierigkeiten hatte, die Gruppe als Polizeiproblem zu erfassen („Das ist doch nicht war, wir werden die wohl hier wegbringen können“), versuchte trotzdem noch der Personalien des als „Rädelsführer“ ausgemachten Michael Eckerhart habhaft zu werden. Der aber sah gar keinen Anlaß, sich auszuweisen, und wurde dabei von seinen Freunden unterstützt, die sich schützend um ihn stellten. Das war für die Polizeitruppe Grund genug, einen Einsatz gegen die Behinderten zu starten, den Michael Eckerhart so schilderte: „Um mich aus der Gruppe zu holen, wurde zwei Rollstuhlfahrern der Arm auf den Rücken verdreht. Eine blinde Frau wurde im Würgegriff weggezerrt. Ein Rollstuhl ist umgefallen und eine andere Frau wäre beinah‘ mit dem Kopf auf einen anderen Rollstuhl gefallen, wenn sie ein Polizist nicht noch aufgefangen hätte.“

Ein Teil der Polizisten weigerte sich dann auch, weiter gegen die Behinderten vorzugehen, im Gegensatz zu Kollegen, denen es dann gelang, den Rollstuhlfahrer Eckerhart, wegen „Wiederstandes (!) gegen die Staatsgewalt“ festzunehmen. Anschließend wurde Eckerhart ins Revier 31 in der Bismarkstraße gefahren und nach Feststellung der Personalien auf die Straße gesetzt. Seiner Bitte, ihn doch wieder zurückzufahren, beantworteten die Beamten mit einem klaren Nein. „Versicherungstechnische Gründe“ würden ihnen das verbieteten. Der Rollstuhlfahrer könnte sich ja verletzen.

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