SPD spielt mit der Notbremse

■ West-Sozialdemokraten warnen vor wirtschaftlichem Zusammenbruch der DDR / Forderung nach Nachbesserung des Staatsvertrags zum Schutz der DDR-Wirtschaft / CDU sieht Feinde der Einheit am Werk

Berlin (dpa/taz) - In der SPD werden die Bedenken gegen den Staatsvertrag zwischen BRD und DDR immer lauter geäußert. Das hat bei der Bonner Regierungskoalition am Wochenende heftige Aufregung ausgelöst, CDU-Generalsekretär Volker Rühe sieht gar bestätigt, daß die Sozialdemokraten „immer noch gegen die deutsche Einheit sind“. Die allerdings hat bislang kein SPD-Politiker in Frage gestellt. Erhebliche Kritik wurde aber im Umfeld des designierten Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine an Tempo und Modalitäten der Einigung laut. Lafontaine fürchtet, daß die schnelle Verbindung der Wirtschaftsgebiete beider Staaten binnen weniger Wochen zu einem Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft führen wird. Der Kandidat fordert umfangreiche Nachbesserungen vor allem zum

-vorübergehenden - Schutz der DDR-Wirtschaft, außerdem eine „Umweltunion“ und eine Beteiligung der Länder an der Gestaltung der Beziehungen zur DDR. Dagegen haben sich der Berliner SPD-Chef Walter Momper und die Bundestagsabgeordnteten Annemarie Renger und Hans-Jürgen Wischnewski für den Vertrag ausgesprochen.

Die SPD-regierten Länder wollen heute eine gemeinsame Erklärung erarbeiten, die sie am Dienstag in eine Sondersitzung des Bundesrates einbringen werden. Den sozialdemokratischen Bedenken wird durch die veränderten Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nach der Niedersachsenwahl besonderes Gewicht verliehen.

Wenn sich im Bundesrat keine Mehrheit für den Staatsvertrag finden sollte, müßte der Vermittlungsausschuß angerufen werden. Dadurch aber könnte der Terminplan ins Rutschen geraten, der vorsieht, daß der Vertrag am 1. Juli in Kraft tritt. Die West-SPD selbst kommt auch deshalb in eine schwierige Situation, weil ihre Schwesterpartei in der DDR bisher in der Öffentlichkeit keine Distanz zu dem Vertragswerk erkennen läßt. Nach einer Infas-Umfrage sehen 53 Prozent der DDR-Bürger der Währungsunion optimistisch entgegen. Allerdings meinen 35 Prozent, sie begünstige die Bundesbürger und zehn Prozent denken gar, daß allein die Bewohner der Bundesrepublik von der Einheit Vorteile haben werden.

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