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Lieblingsbrunnen: Ein Findungsprozeß

■ Zwischen zwei Brunnenentwürfen für den Domshof haben wir die Wahl geschenkt gekriegt

Was nicht noch alles nach uns geht. Sollen wir also auch noch wählen, wer Regierender Brunnen des Domshofes wird. Zwei Kandidatenmodelle machen seit Tagen stummen Wahlkampf im Foyer des Hauses der Bürgerschaft; neben der Treppe bleckt eine Urne ihr Schlitzmäulchen, auf daß Wahlbürgersmänner und -frauen ihre Zettel hineintun, sogleich, geheim und frei; und dann liegt da, auf Stelzbeintisch, das Offene Buch, Stift drangeknüpft; im Buche findet, auch stumm, der kunstpolitische Stammtisch statt.

„Was ist modern?“, so fragt es aus dem Buche, in spitzwinkeliger Schrift, sowas „ohne Beine“ etwa, „ohne Rumpf?“ Um wieviel angebrachter wäre „eine schöne große Schale aus Marmor o.ä.“. Und was letzten Endes ein Brunnen nütze, so fragt es ferner, in den man die Füße hineinhängen darf, ob nicht eine „unliebsame Anhäufung von Schmutz und Abfall“ zu befürchten stünde?

Der Fußplatscherbrunnen ist Waldemar Ottos, des Bremer Kunstprofessors Entwurf: eine zähkräftige Vorwärtsskulptur, welche bestimmt den Domshof über Nacht aus der Stadt schleppen wird, Poseidon gegen Sturm

gebraus drängend, dahinter Proteus, der immerverzagte Weissager, der schon weiß, wohin; und ringsum mindere Figuren, nacktschneckig, flunderplatt an die ovale Schiffsgeometrie gekleckst, bißchen Leben gegen den Strom von vorn.

Aber wo es um die Modelle „nicht einmal plätschert“, wie soll die Wahl kompetent erfolgen, mäkelt es im Buche. Überhaupt, die Auswahl, drei Kandidaten, sei viel zu gering, befinden fast alle. Um die Entwürfe des Düsseldorfers Horst Gläsker verliert sowieso niemand ein Wort. Zwei flache Schalen sind es, eine auf Stumpen gestelzt und innen mit Sagentierchen bebildert, als mythologische Vorspeisenplatte; die andere ist mit dunklem Dekor ausgelegt, Stengel stehen drum herum wie ausgezogene dorische Säulen, darauf stehen Christbaumengelchen, welche Sirenen darstellen und bei Wind mit den Flügellamellen sirren sollen.

Erst war der Grasmarkt als Standort ausgeschrieben, aber man wird wohl den Domshof wählen, weil er dem Poseidonbrunnen besser steht, welchen man wohl als Brunnen wählen wird; die Jury jedenfalls ist dafür, und Wahlvolkes Stimme, die nun

bald, Karte für Karte, gezählt werden wird, sie wird gewiß keine Dummheiten fordern. Wenngleich sie, soweit sie im Buche steht, gelegentlich will, daß gefälligst „noch bessere Entwürfe entworfen werden“.

Zufrieden gibt sich ja niemand so recht, von einem Jubilus abgesehen, der dem Otto-Brunnen als einem „revolutionären Vorschlag“ räuchert, welcher es wert

sei, vor unverständigem Bürgerwillen geschützt zu werden, „nieder mit den Kulturspießern!“ Die Menge hingegen äußert sich unverdrossen verdrießlich, beschimpft die Brunnenkunst als „Steh-im-Weg“, als „Scheußlichkeit“, und wünscht, wenn das so weitergeht, „gute Nacht“, wenn „Hungerkünstler“ daherlaufen, weil, wie jeder weiß, „in Bremen Geld zu holen“ ist, min destens weiß das endesunter zeichneter „Bremer Bürger“, der nun „wirklich genug“ hat, endgültig, Schluß.

Viel Bangen ist um „die gute Stube Bremens„; was wird man wieder hineinstellen, und, sagt einer, „fünfhunderttausend Mark soll das kosten, so'n bißchen Kram“. Wird alles nix helfen. Gut, wenn man eine Mehrheit hat. scha

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