Die SPD enthält sich - was dann?

Auch wenn sich die SPD-Länder enthalten, scheitert der Staatsvertrag  ■  Ferdos Forudastan

Was passiert nun tatsächlich, wenn die SPD-Länder im Bundesrat den Staatsvertrag mit der DDR zwar nicht ablehnen, ihm aber auch nicht zustimmen? Antwort: Er scheitert trotzdem. Und zwar deshalb:

Gemäß Artikel 59, Absatz 2 des Grundgesetzes muß die Mehrheit des Bundesrates einem Gesetz zustimmen, das den Staatsvertrag ratifiziert. Enthalten sich am 22. Juni in der Länderkammer alle SPD-regierten Länder bei der Abstimmung über dieses Gesetz, so erhält der Staatsvertrag nicht den gesetzgeberischen Segen. Daraufhin könnten entweder die Bundesregierung, die Mehrheit des Bundestages oder die Mehrheit des Bundesrates den gemeinsamen Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat zu Hilfe rufen. Dieser allerdings wäre lediglich imstande anzuregen, daß das Ratifizierungsgesetz geändert wird, für den Staatsvertrag selbst kann er keinen Änderungsvorschlag erarbeiten. Der Grund: Der Staatsvertrag ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Anders als in einem nationalen Gesetzgebungsverfahren - bei dem zur Verabschiedung anstehenden Verfassungsschutzgesetz etwa - ist es hier dem Parlament nicht einmal theoretisch möglich, über den Vermittlungsausschuß Änderungen durchzusetzen. Der Vermittlungsausschuß könnte allenfalls dem Bundestag vorschlagen, daß er das Ratifizierungsgesetz aufhebt, um der Bundesregierung Gelegenheit zu geben, neu mit der DDR zu verhandeln.

Allerdings hat die SPD schon vorgestern deutlich gemacht, daß sie so weit gar nicht unbedingt gehen will - und zwar auch dann nicht, wenn Bonn und Ost-Berlin den Staatsvertrag nicht ändern. „Auch außerhalb des Staatsvertrages“, so der Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel vorgestern, könnte das Dokument im Sinne der Sozialdemokraten nachgebessert werden. Ihre Änderungswünsche könnte die SPD also möglicherweise schon berücksichtigt sehen, wenn Bonn und Ost-Berlin sie in einem offiziellen Briefwechsel festhalten.

Ob ein solcher Briefwechsel, Anlagen und Protokolle zum Staatsvertrag völkerrechtlich verbindlich wären oder nur politische Absichtserklärungen bleiben, hängt von zahlreichen Faktoren ab: In welcher Form von wem was beschlossen wird. Nicht nur Anlage oder Protokoll machen entscheidende Unterschiede aus, sondern auch die Frage, ob und wie sie ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden.