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„WeiberWirtschaft“ probt den feministischen Geldkreislauf

Die neu gegründete Berliner Frauengenossenschaft will Unternehmerinnen auf die Beine helfen / Eine gemeinsame Infrastruktur und Qualifizierungsangebote sollen Frauen den Weg in die Selbständigkeit erleichtern / Genossenschaftsanteile können von einzelnen Frauen erworben werden / Gründerinnenfieber auch im Ostteil der Stadt  ■  Aus Berlin Claudia Haas

Die erste Frauengenossenschaft seit der Weimarer Republik wurde letzte Woche in Berlin gegründet. Die Frauen der „WeiberWirtschaft - Genossenschaft in Gründung“ wollen ein Gründerinnenzentrum aufbauen, in dem ungefähr 350 Arbeitsplätze entstehen soll. Auf einem Gewerbehof von 5.000 bis 6.000 Quadratmeter Nutzfläche sollen sich Frauenbetriebe ansiedeln sowie Existenzgründungskurse und Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden. Die „WeiberWirtschaft“ will Anreize für Unternehmerinnen schaffen und Frauen den Schritt in die Selbständigkeit erleichtern. Doch als Service für Karrierefrauen ist die Genossenschaft nicht geplant: Der Überschuß, der aus den Mieteinnahmen erzielt wird, soll Frauenprojekten aus dem sozialen, politischen und kulturellen Bereich zukommen, die nicht gewinnbringend arbeiten können.

Jetzt läuft bundesweit die Werbung um Treugeldgeberinnen, die Anteile in Höhe von 200 bis 50.000 D-Mark erwerben können. Für Frauen, deren Einkommen innerhalb der Grenzen für vermögenswirksames Sparen (936-D-Mark-Gesetz) liegt, können Genossenschaftsanteile in Raten angespart und zu 20 Prozent von der Steuer abgesetzt werden. Sobald die „WeiberWirtschaft“ als Genossenschaft zugelassen ist, werden die Anteile in Genossenschaftsanteile umgewandelt. Als Startkapital werden mindestens eine Million benötigt. Sollte ein geeigneter Gewerbehof gefunden werden, bevor das Geld gesammelt ist, wird eine Stiftung einspringen.

Die Idee eines feministischen Geldkreislaufs gab es schon früher. „Frauenkapital - eine werdende Macht“ - unter diesem Motto warben schon 1908 Berliner Frauen um Genossinnen, die ihr Geld in einer Frauenbank anlegen und nicht länger den Männern überlassen sollten. Die Frauenbank wollte eine „Bresche in die Herrschaft des Kapitalismus“ schlagen und Frauen unterstützen, deren Projekte oft an den nötigen Geldmitteln scheiterten. Bis 1914 zählte die Bank 1.500 Mitglieder, und sie strebte an, die Zahlstelle aller Frauenvereinigungen zu werden, um „die Kapitalkraft der Frauen zu stärken und ihren Bestrebungen dienstbar zu machen“.

Genossenschaftlich organisiert haben sich Frauen bereits um die Jahrhundertwende. In der Berufsgenossenschaft „Industria“ schlossen sich 1898 weibliche Handelsangestellte zusammen, um ihre Arbeits- und Ausbildungsbedingungen zu verbessern. 1919 gründete sich in Berlin wieder eine Frauenkreditgenossenschaft, außerdem entstand eine Genossenschaft zur Beschaffung von Wohnraum für Frauen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelten sich Genossenschaften zu Männerdomänen, in deren Entscheidungsgremien kaum eine Frau zu finden ist.

Erst jetzt versuchen Frauen wieder, die Rechtsform der Genossenschaft für Frauenbetriebe und -projekte zu nutzen. 1987 entstand auf dem ersten Kongreß zur Arbeitsmarktsituation von Frauen die Idee eines Gründerinnenzentrums. Der Verein „WeiberWirtschaft“ wurde gegründet und ein Konzept zur autonomen Finanzierung von Frauenprojekten entwickelt.

In der „WeiberWirtschaft - Genossenschaft in Gründung“ sind zur Zeit 35 Frauen organisiert, einige von ihnen haben bereits einen eigenen Betrieb, andere arbeiten in Frauenprojekten, als Betriebs- und Volkswirtinnen oder in „sozialen“ Berufen.

Gerda Lischke, Aufsichtsrätin der Ökobank, kann auf Erfahrungen ihrer Bank mit Frauensparbriefen zurückgreifen. Aus diesem Fondsparbrief, der nach dem Umweltsparbrief das größte Finanzvolumen aufweist, erhalten Frauenprojekte und -betriebe Kredite zu besonders günstigen Konditionen. Für Ricarda Buch, Vorstands- und Gründungsmitglied der „WeiberWirtschaft“ ist die Genossenschaft eine geeignete Rechtsform, um Frauenressourcen zu bündeln und gemeinschaftlich über die Verwendung der Gelder zu entscheiden. Unabhängig von der Höhe des Genossenschaftsanteils hat jede Frau eine Stimme, die sie in der Generalversammlung, dem obersten Gremium der Genossenschaft, einbringen kann.

Bedarf für einen Frauengewerbehof ist reichlich vorhanden: In Berlin wird bereits jeder dritte Betrieb von einer oder mehreren Frauen gegründet. Frauen machen sich vor allem im Einzelhandel und auf dem Dienstleistungssektor selbständig. Auf eine Existenzgründungsförderung müssen viele der neuen Gründerinnen allerdings verzichten: Für Dienstleistungsbetriebe gibt es keine günstigen Kredite, Investitionsförderung fließt vorzugsweise in den High-Tech -Bereich. Das „BIG“, Berliner Innovations- und Gründerzentrum, fördert vor allem den technologisch orientierten Unternehmernachwuchs. Das Serviceangebot des „BIG“ ist hervorragend, die Geschlechtsstruktur eindeutig: Es gibt keinen einzigen Frauenbetrieb.

Auch im Gründerinnenzentrum der „WeiberWirtschaft“ soll eine gemeinsame Infrastruktur den Weg in die Selbständigkeit erleichtern. Ein Servicebüro mit allen technischen Geräten, die Steuerberaterin und Rechtsanwältin im Haus, gemeinsame Verpflegung und Kinderbetreuung stehen den Frauen zur Verfügung. Gemeinsam sollen Marketingstrategien und Vertriebsstrukturen entwickelt werden.

Bereits jetzt gibt es eine lange Liste von Frauen, die sich im Gewerbehof ansiedeln wollen. Ingenieurinnen und Landschaftsplanerinnen, ein Frauenversicherungsbüro, Stoffhandel und Waschsalon haben Interesse angemeldet, der Arbeitskreis autonomer Frauenprojekte wird dabei sein, in dem sich 40 Berliner Frauenprojekte organisiert haben. Außerdem sollen im Gründerinnenzentrum Existenzgründungskurse angeboten werden, um vor allem mit erwerbslosen Frauen neue berufliche Perspektiven zu entwickeln. Auch im Ostteil der Stadt ist das Gründungsfieber ausgebrochen, entsprechend groß ist der Bedarf nach Beratung für Existenzgründerinnen. Im Gegenzug hoffen die Frauen der „WeiberWirtschaft“, vom breiten Berufsspektrum der Frauen in der DDR und ihren Erfahrungen in „frauenuntypischen“ Berufen zu profitieren.

Aufnahmekriterien gibt es nicht, das Gründerinnenzentrum wird für alle Frauen offen sein. Ricarda Buch lehnt eine Art „Gewissensprüfung“ ab. Kann sich also eine Chefin mit drei Sekretärinnen oder eine chemische Reinigung ansiedeln? Im Prinzip ja, doch die Frauen der „WeiberWirtschaft“ gehen davon aus, daß ein kritisches Publikum die Angebotsstruktur prägen wird. Außerdem hätten Untersuchungen gezeigt, daß Frauen sich eher in Branchen selbständig machen, die umweltfreundlich produzieren.

Für die Instandsetzung und Sanierung eines Gewerbehofes, der für das Gründerinnenzentrum ins Auge gefaßt wurde, gibt es bereits ein ökologisches Ausbaukonzept, an dem unter anderem der Verein „Die Baufachfrau Berlin“ und die Lerninitiative „Frauen entwickeln Einfachtechnologie“ beteiligt waren. Ein Teil der Instandsetzungsarbeiten soll über eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme für Frauen in untypischen Berufen geleistet werden. Eine „männerfreie Zone“ ist mit dem Gründerinnenzentrum jedoch nicht angestrebt. Männer dürfen reichlich spenden, sind als Kunden im Gewerbehof willkommen und frau denkt daran, sie vielleicht in der Kinderbetreuung zu beschäftigen.

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