Jelzin bot große Koalition an

■ Der Radikalreformer warb im Kampf um das russische Präsidentenamt um die Stimmen der Konservativen / Gorbatschows Wunschkandidat Wlassow trat wieder an

Moskau (ap/taz) - Boris Jelzin hat sich gestern in die zweite Runde des Kampfs um das Amt des Präsidenten der Russischen Föderativen Sowjetrepublik gestürzt, dessen Ausgang bis Redaktionsschluß noch nicht entschieden war. Jelzin, dem am Samstag bei der Stichwahl um den Präsidentenstuhl nur 28 Stimmen zur absoluten Mehrheit von 531 Stimmen gefehlt hatten, bot seinen konservativen Gegnern eine Koalitionsregierung an. Die Abgeordneten sollten eine entsprechende mehrheitsfähige Vereinbarung ausarbeiten.

Nach seiner mit Beifall bedachten Rede sah Jelzin sich dann wieder mit seinem ursprünglich schärfsten Konkurrenten, Alexander Wlassow, konfrontiert, nachdem der Kandidat des konservativen „patriotischen Blocks“, Iwan Poloskow, seine Kandidatur zurückgezogen hatte. Poloskow war Jelzin im ersten Wahlgang mit 497 Stimmen dicht auf den Fersen gewesen.

Wlassow, bislang Ministerpräsident der russischen Föderation, ist Favorit Gorbatschows und Kandidat des „Zentrums“. Er hatte im vorigen Durchgang zunächst das Handtuch geworfen. An seine Stelle war Poloskow getreten. Dessen jetziger Verzicht soll die Stimmen der Konservativen und der Zentristen bündeln. Er soll auch der Stimmung unter einer Reihe von Delegierten Rechnung tragen, die den Verzicht beider Kandidaten gefordert hatten, um die Blockade durch zwei fast gleichstarke Stimmenblocks aufzuheben.

Jelzin hatte in seiner Rede auch dazu aufgefordert, den von der sowjetischen Regierung vorgelegten Plan zur Einführung einer regulierten Marktwirtschaft abzulehnen. Der Plan sieht drastische Preiserhöhungen für Grundnahrungsmittel vor, auf die die Moskauer mit Hamsterkäufen reagierten.

c.s. Siehe auch Seite 9