...dann können wir uns erschießen“

■ Welche Verwaltungsstrukturen braucht der optimale Umweltschutz - und wie kann Berlins künftige Verwaltung mit dem Bauboom fertig werden? / Eine Veranstaltung mit Ex-Umweltsenator Hassemer (CDU) und AL-Umweltstaatssekretär Groth

Kreuzberg. Wer im Zweifelsfall der schönere Umweltsenator wäre, ließ sich am Montag abend nicht feststellen. Auf der Veranstaltung im Schlesischen Tor zum Thema „Umweltschutz durch Verwaltungsstrukturen“ gab sich Klaus-Martin Groth, derzeitiger Staatssekretär, regierungsmäßig pragmatisch, Volker Hassemer (CDU), Ex-Umwelt- und Ex-Kultursenator, klagte Bürgerbeteiligung und Demokratie ein. „Hunderte von Beamten entscheiden derzeit im Regionalausschuß in Dutzenden von Gremien und hinter verschlossenen Türen unser Wohl“, bemängelte der Christdemokrat. Das mochte Groth nicht auf sich sitzen lassen. „Wir erarbeiten doch nur die Fakten, und die müssen wir schon abstimmen, erst dann können wir das veröffentlichen“, sagte er. Am 7. Juni werde es einen Bericht geben - „und den kriegt jeder“.

Groths Wille, eine funktionsfähige Verwaltung auch regional zu etablieren, kommt nicht von ungefähr. Berlin wird sich vergrößern, im Umland gibt es Umweltprobleme. Und selbst da, wo Umweltämter eingerichtet wurden, mangelt es an Personal und vor allem an der technischen Infrastruktur. „Umweltdaten waren top-secret“, meinte Dr. Büchner vom Ostberliner Büro für Städtebau. Zudem waren die kommunalen Planer „Erfüllungsgehilfen staatlicher Standortpolitik“. Jetzt hingegen stoßen westliche Investoren - ohne daß eine leistungsfähige Beamtenschar im Wege steht - in die Lücke, die die SED hinterlassen hat. So gibt es Pläne, auf dem derzeitigen Grenzkontrollpunkt Drewitz ein Möbellager zu errichten. Um die „Wüste Mark“, eine ehemalige Westberliner Enklave, verhandelt ein Schlachthof, und wenn alle gewünschten Golfplätze um Potsdam genehmigt würden, „müßten wir unsere Dörfer einebnen“, meinte der Potsdamer Regierungsbeauftragte Wolf. Man werde deshalb die bundesdeutschen Gesetze zur Raumordnung, also die Flächennutzungsplanung, und ähnliches für die DDR übernehmen, aber erst im September.

Auch für Berlin malte Groth den Teufel an die Wand: „Wir haben drei Szenarien entworfen: Daß 1,5 Millionen Menschen zuziehen, eine Million oder eine halbe. Und kommen die alle schon in den nächsten fünf Jahren, dann können wir uns erschießen“, meinte Groth. Von daher seien Hassemers Demokratieansätze schön und gut, mal abgesehen davon, daß er dies in seiner Amtszeit nicht durchgesetzt habe. Aber so dezentral gehe es nicht mehr weiter. Beispielsweise die Westberliner Bezirke, „die planen nur noch Kitas und Grünflächen statt Wohnungen und Fabriken, weil sie ja nicht wie die westdeutschen Kommunen die entsprechende Gewerbe und Einkommensteuer bekommen“. Das gehe erst recht nicht bei künftig 20 Berliner Bezirken. Man müsse nun „Mechanismen dagegen erfinden“.

Einig waren sich Hassemer und Groth darin, daß Stadtentwicklung beim Verantwortlichen für Umwelt bleiben müsse - und der noch die Verkehrsplanung und die Bebauungspläne dazubekommen müsse. Im Osten sei dies leider nicht so. Denn im Magistrat sei die Stadtentwicklung dem Stadtbaurat untergeordnet. „Das ist eine Katastrophe“, konstatierte Hassemer. „Und Sie haben in West-Berlin einen Protagonisten, der dies betreibt und der in Ost-Berlin auf offene Ohren stößt, den müssen Sie stoppen.“ Gemeint war Baustadtrat Nagel (SPD) - und daß der gestoppt werden müsse, darüber herrschte zwischen Groth und Hassemer AL/CDU -Harmonie.

Eva Schweitzer