Diestel: „Organisierter Haß gegen mich“

■ Rücktrittsforderungen reißen nicht ab / DSU-Sprecher deutet Stasi-Vergangenheit des Innenministers an / Diestel will auf jeden Fall im Amt bleiben - zur Not als Parteiloser

Berlin (taz) - Die Volkskammerfraktionen von DSU und SPD haben erneut den Rücktritt von Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU) gefordert. Auf einer gemeinsamen Sitzung der DSU-Fraktion und der Bonner CSU-Landesgruppe in West-Berlin warfen sie Diestel vor allem die Beschäftigung von ehemaligen Stasi-Leuten in seinem Ministerium als „unpopulär und unsinnig“ vor. Diestel konterte seinerseits und erklärte, der gegen ihn „organisierte Haß“ in seiner eigenen Fraktion überschreite langsam den Rahmen des Erträglichen. Der DSU-Mann beteuerte auch, daß er weiterhin das Vertrauen von Ministerpräsident Lothar de Maiziere (CDU) genieße. Deswegen wolle er notfalls auch als Parteiloser im Amt bleiben.

Innerhalb der DSU steht Diestel nach wie vor auf der Abschußliste. DSU-Fraktionssprecher Jürgen Schwarz erklärte in einem Beitrag des „Spiegel-TV“, die Partei habe bereits einen Nachfolger für den Minister aus den eigenen Reihen ausgesucht. Diestel betreibe die Auflösung des früheren Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) äußerst zaghaft, was sich nur durch ein irgendwie geartetes „Schnur-Syndrom“ erklären lasse. Rechtsanwalt Wolfgang Schnur war spektakulär über seine Vergangenheit als „inoffizieller Mitarbeiter“ des MfS gestolpert und mußte von seinem Posten als Chef des Demokratischen Aufbruchs zurücktreten. Konkrete Vorwürfe in diese Richtung machte Schwarz aber nicht. Der Protest gegen Diestel erreichte zur gleichen Zeit auch die Straße. In Leipzig demonstrierten am Montag abend mehrere hundert Personen gegen den von Diestel betriebenen „Aufbau eines Polizeistaates“.

In einer schriftlichen Erklärung forderte am Montag auch der Vorstand der SPD-Volkskammerfraktion de Maiziere auf, Diestel auf der Stelle zu entlasen. Seine umstrittene Amtsführung sei nicht geeignet, die Stasi- und SED -Vergangenheit zu bewältigen.

Die Vorwürfe, nicht eindeutig genug mit der Stasi -Vergangenheit abzurechnen, wies Diestel als gegenstandslos zurück. Sie seien „Ausdruck des Hasses, den hier offenbar einige gegen mich organisieren“. Einige Fraktionsmitglieder „führen einen undifferenzierten Rachefeldzug gegen die ehemalige DDR“. Diese seien nicht bereit, konstruktive Inhalte der gemeinsamen Geschichte für die Zukunft des gemeinsamen Deutschlands miteinzubringen. Er werde das System der Staatssicherheit zerschlagen, aber „nicht zulassen, daß dabei große Teile der Bevölkerung an den Pranger gestellt werden und eventuell sogar Blut fließt“. Dies sei der Grund, der „die Feindschaft dieser Leute aus meiner Fraktion gegen mich hervorruft“.

wg