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Noch keine Einigung über Wahltermin

■ De Maiziere mahnt zu Besonnenheit bei Vereinigung / Gemeinsame Sitzung der Unionsfraktionen aus West und Ost / Dregger bekräftigt Willen zu gesamtdeutschen Wahlen 1990 / Schnelle Fusion angepeilt

Berlin (afp) - DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere hat sich am Dienstag erneut gegen Druck auf das Tempo der politischen Vereinigung Deutschlands verwahrt. In einer Ansprache vor den Unionsfraktionen von Bundestag und Volkskammer, die im Reichstagsgebäude in West-Berlin zu ihrer ersten gemeinsamen Tagung zusammengekommen waren, lehnte de Maiziere eine Aussage zum Termin gesamtdeutscher Wahlen ein weiteres Mal ab. „Ich kann und will mich zum Datum nicht äußern“, sagte der Regierungschef. Er wandte sich dagegen, den Inhalt des deutsch-deutschen Staatsvertrages nachzubessern oder zu korrigieren.

Der Bonner CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger trat nach der Sitzung vor der Presse erneut für gesamtdeutsche Wahlen noch in diesem Jahr ein. Mit der Regierung im Ostteil der Stadt werde weiter über einen Termin für den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes gesprochen. Dregger betonte, in der Bundesrepublik müßten Parlamentswahlen bis zum 13. Januar stattfinden, „und wir würden uns freuen, wenn sich Bürger der DDR an dieser Wahl beteiligen könnten“. Diese Frage sei jedoch noch nicht ausdiskutiert. Dregger und der DDR-Staatssekretär Günther Krause sagten übereinstimmend, es sei nicht einzuschätzen, wie die Situation in einigen Monaten ist.

Die Fraktionen von CDU/CSU sowie CDU/DA und DSU berieten auch über die künftige Zusammenarbeit der Unionsparteien in beiden deutschen Staaten. Dregger geht davon aus, daß die Einheit der CDU vor der politischen Vereinigung der Bundesrepublik und der DDR hergestellt wird. Die Wahlprogramme beider Parteien unterschieden sich ohnehin nicht mehr wesentlich, fügte Krause hinzu. Der Vorstand der Ost-CDU hatte dagegen am Vortag die Ansicht vertreten, einen Zusammenschluß der Parteien könne es erst nach der staatlichen Vereinigung geben.

De Maiziere erklärte vor den Parlamentariern, entscheidendes Datum im staatlichen Einigungsprozeß sei zunächst der 2. Juli, an dem die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft tritt. Danach müßten erst die Modalitäten eines Beitritts der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes geklärt werden.

Der Beitritt könne „nicht voraussetzunglos erfolgen“, betonte de Maiziere. Zu diesen Voraussetzungen zählte er die Angleichung der Rechtssysteme, die sozialen Rechte in der DDR, die Bildung der Länder und schließlich die außenpolitischen Aspekte, darunter den KSZE-Prozeß, die Zwei -plus-vier-Verhandlungen und das Verhältnis zur Sowjetunion.

In den fünf Wochen bis zum Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion gibt es nach den Worten Krauses noch sehr viel zu tun, um Durchführungsbestimmungen zum Staatsvertrag zu formulieren und dessen Anwendung vorzubereiten. Das Problem der Umweltunion werde seit Wochen beraten und sei „keine Idee der SPD“. Die Furcht vor hoher Arbeitslosigkeit versuchte Krause zu zerstreuen, indem er auf den Arbeitskräftebedarf etwa im Dienstleistungsbereich verwies: „Jeder muß bereit sein, einen zweiten oder dritten Beruf unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu erlernen.“ Wenn jetzt Arbeitslosigkeit entstehe, so liege das an vierzig Jahren verfehlter Politik, sagte der DDR -Delegationsführer bei den Staatsvertragsverhandlungen.

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