Groß-Berlin schon übermorgen?

Drei Westberliner SenatorInnen sollen auch in Ost-Berlin ans Ruder / SPD-OB-Kandidat Schwierzina will die Ressorts Bauen, Finanzen und Sport grenzübergreifend / Ost-CDU empört / Alternative Liste völlig überrascht  ■  Aus Berlin Kordula Doerfler

Die Überraschung in beiden Teilen von Berlin hätte gestern kaum größer sein können: In der turnusmäßigen Sitzung des Westberliner Senats äußerte der designierte Oberbürgermeisterkandidat von Ost-Berlin, Tino Schwierzina (SPD) den Wunsch, drei Westberliner SenatorInnen sollten ihren Geschäftsbereich in den Ostteil der Stadt ausdehnen.

Als Wunschkandidaten benannte Schwierzina Finanzsenator Norbert Meisner (SPD), Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) und eine AL-Senatorin, die für Bildung und Schulwesen zuständige Sybille Volkholz.

Schwierzina begründete diesen einmaligen Vorstoß damit, daß ein Zeichen für die Vereinigung Berlins gesetzt werden soll und in den drei Ressorts eine solche Personalunion sinnvoll sei. Praktisch soll der Deal so aussehen: die drei West -Senatoren müßten im Ostberliner Magistrat als Stadträte vereidigt werden und auch der Stadtverordnetenversammlung verantwortlich sein, ihr Amtssitz und ihre Verwaltung sollen weiterhin im Westen liegen.

Nach Angaben des Westberliner Senatssprechers Werner Kolhoff hat die Ostberliner SPD am Montag abend beschlossen, diesen Vorschlag im Westen zu unterbreiten und auch den Regierenden Bürgermeister von West-Berlin, Walter Momper, noch informiert. Völlig überrascht von dem Vorhaben waren sowohl die Mehrheit der Senatsmitglieder als auch die Koalitionsfraktionen von SPD und AL. Gestern nachmittag besuchte Schwierzina beide Fraktionen zu ihren wöchentlichen Sitzungen, um den Vorschlag zu unterbreiten. Die Beratungen dauerten bei Redaktionsschluß noch an, jedoch meldete die Alternative Liste schon vorab politische und staatsrechtliche Bedenken an.

Daß der Coup tatsächlich erst vorgestern und nicht schon in der vergangenen Woche während der Koalitonsverhandlungen ausgeheckt worden ist, wurde gestern von allen Seiten bezweifelt. Die Ostberliner CDU zeigte sich empört über den Vorschlag und drohte, daß mit solchen Personalentscheidungen die Koalition wieder platzen könnte. Kommentar auf Seite 10