Der Preis der D-Mark: Freie Preise

■ Ab 1. Juli werden die Preise vom Markt bestimmt und fast alle Subventionen gestrichen / Ausnahmen sind Pachten, Elektroenergie, Gas, Wasser, feste Brennstoffe und Verkehrstarife / Regierung entsendet Kommissionen, die den chaotischen Einzelhandel überwachen sollen

Berlin (taz) - Mit der Einführung der D-Mark werden am 1. Juli die Preise freigegeben und die Subventionen mit wenigen Ausnahmen abgebaut; das beschloß das Kabinett auf seiner gestrigen Sitzung. „Der Entwurf des Gesetzes über die Preisbildung und Preisüberwachung beim Übergang zur sozialen Marktwirtschaft geht davon aus“, erklärte Regierungssprecher Matthias Gehler, „daß in der DDR der Grundsatz der freien Preisbildung gilt.“ Das vielzitierte Brötchen wird dann nicht mehr 5 Pfennige sondern etwa 0,20 DM kosten. Dieses Beispiel ist allerdings untypisch, in der Regel dürften auch bei Produkten des bisher subventionierten Grundbedarfs die Preiserhöhungen weit unter 100 Prozent liegen.

Es wird Bereiche geben, in denen die Preise nicht sofort freigegeben werden. So gilt vorläufig die staatliche Preisbindung fort für Mieten, Pachten, den Verbrauch von Elektroenergie, Gas, Wasser, feste Brennstoffe und Verkehrstarife. Hier soll - in Abhängigkeit von der allgemeinen Einkommensentwicklung - jährlich eine Überprüfung stattfinden. Ein „Amt für Wettbewerbsschutz“ soll künftig darüber wachen, daß es keinen „Preismißbrauch“, zu deutsch: Wucherpreise, gibt.

Das Kabinett befaßte sich auf seiner Sitzung außerdem mit der völlig durcheinander geratenen Versorgungssituation: einerseits stauen sich zum Teil bei den Produzenten die Waren, andererseits sind die Regale im Einzelhandel leer. Um dem abzuhelfen, greift die Regierung jetzt auf eine klassisch bürokratische Maßnahme zurück: Die Entsendung von Regierungskommissionen zur Überwachung des Einzelhandels, wobei diese Kommissionen auch berechtigt sein sollen, auch Anweisungen zu geben. Ob das viel helfen wird steht dahin, wie die Pressesprecherin des Ministeriums für Handel und Tourismus bei der gleichen Gelegenheit sagte: „Wir können die Kauflust der DDR-Bevölkerung nicht mehr kalkulieren.“ So hatten die Verbraucher zeitweilig kaum mehr Waren aus DDR -Produktion gekauft, daraufhin stornierte zuerst der Einzelhandel dann der Großhandel seine Bestellungen bei der Industrie, jetzt aber müßten sich die Betriebe wieder auf zunehmende Nachfrage umstellen, ohne Wissen darum, wie lange sie anhalten wird. Ganz unklar ist noch die Entwicklung im kommenden Halbjahr, denn die Industrie macht bisher, so die Pressesprecherin, „keine marktfähigen Preisangebote“. Welche Betriebe dazu überhaupt in der Lage sind, das wird sich wohl erst nach dem Übergang ab 1. Juli herausstellen.