Die Humboldt-Uni und ihre Ausländer

■ Ausländische Studenten an der Humboldt-Uni Berlin wollen eine Interessenvertretung gründen Abgrenzende Strukturen der Vergangenheit passe / „Mangelnde Akzeptanz“ der deutschen Studenten

Berlin (taz) - „Die streiten sich doch andauernd unter sich selbst!“ Verwunderte Blicke und abweisende Ratlosigkeit im Info-Büro des Studentenrates der Humboldt-Universität, als ich das Thema „Aus ländischer Studentenrat“ anschneide. Offensichtlich existiert hier ein gewaltiges politisches Wespennest.

Empfindlichkeiten allerorten - so auch der Eindruck nach einem Gespräch mit drei Aktivisten, die einen „Rat der Ausländischen Studierenden“ ins Leben rufen wollen. Bereitwillig erklären Ares Michaelides, Andrallay Papakyriakou und Bernardo Ramirez jedoch den Stand der Diskussion.

Die in Vor-Wende-Zeiten geübte Praxis, Deutsche in der FDJ und Ausländer im nach Nationalitäten gegliederten Internationalen Studentenkomitee (ISK) zu organisieren und persönliche Kontakte zwischen beiden Gruppen möglichst zu unterbinden, ist vorbei.

In diesem organisatorischen Vakuum entwickelt sich in den letzten Monaten eine Selbstfindungs-Diskussion unter den ausländischen StudentInnen, in deren Verlauf die Erweiterung der politisch-national-kulturellen Orientierung des alten ISK auf die Anerkennung sozialer Probleme eingefordert wird. Damit sind nicht bloß die allen Studenten bekannten Wohnheim - und Stipendiengeschichten gemeint, sondern auch eine bisher verdeckte Ausländerproblematik im Studienalltag. Das Zusammenbrechen von FDJ und ISK, so Ares, macht Begegnungen zwischen Deutschen und Ausländern sehr schwierig. Zum gegenseitigen Näherkommen seien neue Strukturen erforderlich. Ferner bedeutet der andere Bildungshintergrund und Erwartungshorizont der Ausländer, daß diese die Anforderungen des Studiums „noch nicht im Griff“ hatten und zugleich die Deutschen sich „nicht so sehr bemühen“, die gegenseitige Akzeptanz zu fördern.

Insbesondere zur Bewältigung konkreter Probleme des Studienalltags wollen Ares und seine Mitstreiter die ausländischen StudentInnen zu einer Interessengruppe zusammenschmieden, die sich nicht in nationalen und politischen Gegensätzen aufreibt, sondern die Integration der Nicht-Deutschen auf die studentische Tagesordnung setzen soll.

Abwehrreaktionen unter den Deutschen dazu sind verbreitet. Die Gründung eines Ausländerrates sei „ein diffiziles Problem“, sagt ein Studentenratsvertreter, ohne zu erklären warum. Stattdessen wird, nicht ohne Hintersinn, auf Differenzen unter den Ausländergruppen verwiesen. Es ist klar, daß politische Vereinigungen wie beispielsweise die DDR-Sektion der „General Union of Palestinian Students“ (GUPS), der alle palästinensischen Studenten angehören, ihre Arbeit weiterführen werden. Ein Nebeneinander politischer und sozialer Tätigkeit schließt das aber nicht aus. Alles unter einen Hut zu bringen, hält allerdings auch Ares für schwierig. Der Rat werde gezwungen sein, zwischen Problemkreisen zu entscheiden.

Die Ausdauer, mit der von einer endlosen Diskussion auf die nächste verwiesen wird, ist wohl Berlin-spezifisch. So wurde in Halle und Leipzig das Organisationsproblem sehr viel einfacher gelöst. Das ISK wurde übernommen und zur ausländischen Interessenvertretung umgebastelt. Wegen der dortigen Alltäglichkeit rassistischer Überfälle gab es zum Kopfzerbrechen einfach keine Zeit. In Berlin ist der gewalttätige Rassismus (noch) seltener, und so rücken die anderen Fragen in den Vordergrund. Vieles dreht sich auch ganz einfach um die Ausdrucksweise. Wie riet mir die Studentenratsvertreterin im Info-Bür? „Geh doch mal runter ins Cafe. Da sitzen doch den ganzen Tag irgendwelche Ausländer rum“. Auf dem Weg zur Integration wird sich noch manche Sprachgewohnheit ändern müssen.

Dominic Johnson