Viertel-Szene auf Familienfest

■ Drei trockene und ein nasser Tag Breminale / Weserboulevard rauf und runter

„Habt Ihr vielleicht einen Sonnenschirm?“ Die Frage, die am Montag mittag im Organisationscontainer der „Breminale“ ins Telefon gerufen wird, ist durchaus ernst gemeint. Zwar hat sich die Sonne schon seit 24 Stunden nicht mehr gezeigt, aber dafür droht gerade der Elektrik im „Kraftwerk“ Landunter. Der Verteilerkasten muß dringend vor dem Tropfwasser vom Zeltdach bewahrt werden, daß sich schon ein kleines Bachbett gespült hat - zur Not auch mit einem Sonnenschirm.

Doch so richtig ins Wasser gefallen ist das Kulturfestival auf den Wiesen am Osterdeich in diesem Jahr nur am letzten der vier Tage. „Für Bremer Wetter ein ganz guter Schnitt“, freut sich Organisatorin Marita Schlobohm. Immerhin 40.000 der kalkulierten 70.000 Mark Eintrittsgelder lagen schon am zweiten Abend sicher in den Breminale-Kassen - noch ohne die Abrechnung des besucherreichsten Pfingstsonntags. Wobei auf jede zahlende Besucherin nochmal gut zehn ohne Eintrittsbutton gekommen waren.

Vom Lehmstadt-Bauen über Antipasta-Essen bis zu Trickfilm -Gucken gab es für sie breminalische Unterhaltung draußen und umsonst. „50 Meter gelaufen und zwölf Leute getroffen“, war die vorherrschende Stimmung beim Familienfest der Viertel-Szene. Unter die Flaneure auf dem Weserboulevard hatten sich nur wenig Fremde aus Westerstede, Walle oder noch weiter entfernten Kulturen gemischt. Wer laut sagt: „Das ist die Tochter von Wolfgang, der mal mit Christine und Klaus in der Herderstraße zusammengewohnt hat“, der erntete mit Sicherheit mindestens fünf wissende Blicke.

Vor allem beim Warten gab es reichlich Gelegenheit zum Austausch der Neuigkeiten über die alten Bekannten. Denn Gedrängel

war nicht nur an der Kinder-Seilbahn und Gerangel gabs nicht nur um die Hämmer beim Ytong-Steine-Klopfen, sondern auch Abends hieß es Schlangestehen vor dem Theater-Zelt.

Von uns für uns spielte Bremens freie Theaterszene dort ihren Faust. Viermal waren alle 380 Plätze voll, viermal mußten Hunderte schon vor Vorstellungsbeginn wegen Überfüllung weiterziehen. Bis auf die ganz Schlauen, die reingingen, wenn die ersten wieder rausgingen - und länger als eine knappe Viertelstunde mußten sie darauf nicht warten.

Denn noch bevor sich des Pudels Kern als Mephisto entpuppt hatte, lockte von nebenan schon die nächste Jazz-Rock-Band durch die Zeltwände. Rein und raus, sehen und gesehen werden, mit Hal Över über den Fluß und über den Fluß wieder zurück, Weserboulevard rauf und Weserboulevard runter Dialektik, wie sie dem Breminale-Publikum gefällt.

„Wir haben 27 Freßstände und hundert Veranstaltungen, beim Stadtfest ist das Verhältnis umgekehrt“, faßt Marita Schlobohm den Unterschied zwischen Domshof- und Osterdeich -Festival zusammen. Und die Szene weiß, warum sie hierhin geht und nicht dorthin.

Dort wird geschunkelt, hier wird jongliert, dort gibts Curry

wurst, hier gibts Völkelsaft, dort gibts Vier-Viertel-Takt, hier gibts sieben Achtel. Nur wenns regnet, wird man naß hier wie dort. Aber hier schützt man sich vor dem Bremer Wetter mit nem Sonnenschirm.

Dirk Asendorpf