Brasilianische Mercedes- Arbeiter streiken weiter

■ Im Kampf um Lohnerhöhungen wird nun ein Generalstreik für den 12. Juni geplant

Berlin (taz) - Die Mercedes-Arbeiter von Campinas, Brasilien, haben am Montag auf einer Vollversammlung die Fortsetzung ihres seit zwei Wochen andauernden Streiks beschlossen. Die Mobilisierung für den bisher auf einen Betrieb beschränkten Streik soll verbreitert werden. Für heute ist eine Demonstration der Werksangehörigen mit ihren Familien in Campinas geplant. Stadtteilgruppen und Basis -Gemeinden wurden aufgerufen, die Streikenden durch Spenden zu unterstützen. Die Arbeiter erhalten von ihrer Gewerkschaft keine Streikunterstützung und können den Lebensunterhalt ihrer Familien nicht aus eigenen Rücklagen bestreiten.

Das Unternehmen hat bisher keinerlei Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen. Der Chef von Mercedes do Brasil, Luis Scheuer, ein einflußreicher Funktionär des brasilianischen Unternehmerverbands FIESP, ließ wissen, die Arbeiter könnten solange streiken wie sie wollten. Es bestünden Auflagen der Regierung, die dem Unternehmen keinerlei Zugeständnisse für die geforderten Lohnerhöhungen ließen.

Die Mercedes-Arbeiter von Campinas fordern einen Inflationsausgleich von 160 Prozent, um die horrenden Preissteigerungen vor Inkrafttreten des sogenannten Collor -Plans wettzumachen. Der am 1. März in Kraft gesetzte Plan des neuen brasilianischen Präsidenten Collor versucht, durch eine rigorose Verknappung des umlaufenden Geldes die Hyperinflation in den Griff zu bekommen. Die Unternehmen haben darauf mit der Ankündigung reagiert, vor August keinerlei Lohnanpassungen vorzunehmen.

Die Gewerkschaften hatten zwar zunächst auf Lohnforderungen verzichtet, aber ein Stillhalteabkommen bis August nicht anerkannt. Die Mercedes-Arbeiter von Campinas sind nun die ersten, die die Lohnstopp-Strategie des Unternehmerverbandes zu durchbrechen versuchen. Der Gewerkschaftsdachverband CUT plant für den 12. Juni einen Generalstreik gegen die Wirtschaftsmaßnahmen der Regierung und die damit verbundenen Lohnrestriktionen.

Die Mercedes-Arbeiter verlangen außerdem die Einrichtung einer Fabrikkomission, die den bundesdeutschen Betriebsräten vergleichbar ist, ferner die 40-Stunden-Woche und gleiche Löhne für vergleichbare Tätigkeiten . Auch hier hat das Unternehmen bislang keinerlei Entgegenkommen gezeigt. Insbesondere die Forderung nach einer Fabrikkommission stößt auf Widerstand. In der Industriestadt Campinas, in der viele High-Tech-Unternehmen ihren Sitz haben, gibt es bisher noch keine Fabrikkommissionen. Das soll nach Meinung des Unternehmerverbandes auch so bleiben. Der Streik der Mercedes-Arbeiter wird als Aktivstreik geführt, also im Werk. Die Stimmung ist gespannt. Einige Arbeiter können schon jetzt nicht mehr daran teilnehmen, weil ihnen das Geld für die Fahrt zum Werk fehlt.

Die Gewerkschaft befürchtet, daß das Unternehmen Streikführer aus dem Werk entfernen will. Am Montag mittag haben Arbeiter die Angestelltenkantine für einige Stunden besetzt. Das Unternehmen kündigte daraufhin Maßnahmen gegen jene Streikenden an, die sich der Störung des Betriebsfriedens schuldig gemacht hätten. Daß es auch anders geht, bewies Mercedes in seinem brasilianischen Hauptwerk in Sao Bernardo: dort wurden den Arbeitern nach einigen Warnstreiks zehnprozentige reale Lohnerhöhungen mit zusätzlichen Sonderzulagen angeboten. In Sao Bernardo gibt es schon seit Jahren eine Fabrikkommission.

cs/marke