DDR braucht Mietergenossenschaften

Dr. Eckard Pahlke, Vorsitzender des 100 Jahre alten Mietervereins zu Hamburg, über die wohnungspolitische Situation und die künftige Mietenpolitik in der DDR  ■ I N T E R V I E W

taz: Pünktlich zu Ihrem Jubiläum - herzlichen Glückwunsch stehen Sie vor neuen Aufgaben. Wie sieht der westdeutsche Mieterbund die wohnungspolitische Situation in der DDR?

Eckard Pahlke: Derzeit ist sie günstig. Da gelten noch Gesetze und Verordnungen, wonach Kündigungsschutz auch bei Eigenbedarfsforderungen besteht und bis heute Mieterhöhungen ausgeschlossen sind. Vor allem aber gibt es in der DDR etwas, was wir auch für die Bundesrepublik anstreben: das Grundrecht auf Wohnen. Jetzt müssen wir allerdings aufpassen, daß nicht im Zuge der Vereinigung das bundesdeutsche Mietrecht mit seinen Nachteilen auf die DDR übertragen wird.

Welche Zukunft haben diese positiven Elemente im vereinigten Deutschland?

Wir werden versuchen, die DDR-Bürger von unseren Eigenbedarfsregelungen und Mieterhöhungen bei Neuvermietungen zu verschonen. Im Gegenteil: Der Westen muß einiges aus der DDR übernehmen. Vor allem die konkrete Auswirkung des Grundrechts auf Wohnen - also die Bereitstellung einer Ersatzwohnung im Falle der Kündigung muß im vereinigten Deutschland eingeführt werden. Die im Westen bekannten schlimmen Folgen des Eigenbedarfsurteils aus Karlsruhe müssen dadurch beseitigt werden, daß diese fehlgeleitete Rechtsprechung im Falle der DDR verhindert wird. Es geht darum, im Einigungsprozeß die Karten neu zu mischen. Stellen Sie sich vor, westdeutsche Eigentümer von DDR-Wohnungen wedeln jetzt mit Eigenbedarfsforderungen, um die Leute rauszuschmeißen!

Wie wollen Sie das verhindern?

Mit konkreter Hilfe für die DDR-Mieterinitiativen. Wir haben intensive Kontakte zu ihnen geknüpft. Etliche Mietervereine haben sich - auch mit unserer Hilfe - bereits in nahezu allen Städten der DDR gegründet. Wir helfen auch mit technischer Ausstattung, bringen Schreibmaschinen und Kopiergeräte mit.

Wann wird es einen vereinigten Mieterbund geben?

Zunächst gibt es in der DDR einen eigenständigen Mieterverband. Wir wollen uns derzeit nicht über Gebühr einmischen, sondern in erster Linie helfen. Nach der Vereinigung wird es natürlich eine gemeinsame Organisation geben - mit entsprechenden Verbänden in den zu gründenden Ländern.

Warum warten Sie so lange?

Wir wollen nichts überstürzen. Bei dem Versuch der Vereine, sich in der DDR selbst zu konstituieren, muß eine Bevormundung aus dem Westen vermieden werden. Wir halten uns aber bereit.

Das heißt konkret...

Wir werden etwa unsere Rechtsschutzversicherung, eine eigene Aktiengesellschaft des Mieterbundes, auch für Mietervereine in der DDR zugänglich machen. Weil in der DDR Prozesse wegen Mieterhöhungen und Kündigungen befürchtet werden, sind die auch schon an uns herangetreten. Die haben Angst.

Auch vor den angekündigten Mieterhöhungen...

Der Mieterverein Leipzig hat ja erklärt, daß man Mieterhöhungen hinnehmen muß. Nur: Da muß es eine Grenze geben, müssen Härten über eine Art Wohngeldregelung abgefedert werden.

Was empfehlen Sie für die Zukunft der DDR-Wohnungspolitik?

Beim Neubau in der DDR sollte man unbedingt dem genossenschaftlichen Eigentum Vorrang einräumen. Und das muß besonders gefördert werden, weil das Wohnen in der Genossenschaft die Mitbestimmung der Mieter weitgehend verwirklicht.

Interview: Axel Kintzinger