Frau Präsidentin goes shopping

■ Wieso sich die erste Frau im zweiten deutschen Staat, Dr. Sabine Bergmann-Pohl, lieber für 30.000 DM Marzipangeld am Kurfürstendamm einkleidet, statt Werbung für volkseigene Haute Couture zu machen / Freunde aus der West-CDU spendierten Einkaufsbummel und neuen West-Haarschnitt

Ost-Berlin. Am Samstag, den 19. März 1990 rollt ihr schwarzer Citröen vor eine der nobelsten Boutiquen des Kurfürstendamms. Das „exklusive Damen- und Herrenmodengeschäft Braun und Co.“ gehört zu den Topadressen der Oberschicht. Hier, wo ein Kleid für 3.000 DM getrost als Sonderangebot bezeichnet werden darf, warten die neuesten Kreationen der internationalen Modezaren auf die betuchte Kundschaft. Zu der gehört seit diesem Tag auch DDR-Parlamentspräsidentin und Staatsoberhaupt der DDR, Frau Sabine Bergmann-Pohl. Zwei Bodyguards halten ihr die Tür auf, die Modeverkäuferinnen begrüßen sie mit Namen. Die Volkskammerpräsidentin zeigt vom ersten Augenblick an Geschmack. Stilbewußt entscheidet sie sich für das Beste. Kostüme und Kleider von „Valentino“, „Chanel“ und „Ungaro“ werden anprobiert und zum „auf Maß schneiden“ weiter in die Werkstatt gegeben. Weil eine Volkskammerpräsidentin eine sehr beschäftigte Frau ist und nicht wegen jedem Kleid einen Einkaufsbummel machen kann, kauft sie gleich auf Vorrat. Insgesamt kommen somit 30.000 D -Mark auf die Rechnung. Das „Valentino„-Kostüm läßt sie gleich an und begibt sich zur Tennisanlage des LTTC Rot-Weiß und danach zu Richard von Weizsäcker auf die Ehrentribüne des Olympiastadions zum DFB-Pokalendspiel. Fast hätte sie an diesem Tag Steffi Graf und dem 1. FC Kaiserslautern die Show gestohlen.

Nun ist, wie jeder weiß, die Frau nicht etwa in der SED/PDS und hätte somit vielleicht Zugang zu noch verheimlichten Devisenreserven, sondern CDU-Mitglied. Als Volskammerpräsidentin bezieht sie ein Gehalt von 9.500 Mark. Fragt sich das Volk, welche Devisenquelle denn da wohl so hilfreich sprudelt. Die Valuta-Kasse der DDR jedenfalls ist leer. Hier gibt es nur einen streng bemessenen Etat für Dienstreisen. Daher also kommen die 30.000 DM nicht. Auch der Pressereferent der Präsidentin, Dr. Grützke, kann sich, angesprochen auf das „Valentino„-Kostüm, anfangs nicht erklären, wo das Geld herkommt. „Vielleicht dachte die Süßmuth: Schenken wir der armen Ossi mal ein schönes Kleid“, grübelt er.

Am Freitag, den 25. Mai 1990, steht Frau Bergmann-Pohl wieder in der Edel-Boutique. Die Kleider sind fertig, und die Rechnung muß bezahlt werden. Begleitet wird sie von einer Frau Hell, Inhaberin der ältesten Berliner Marzipanmassenfabrik. Die gehört zu den Westberliner Freunden aus CDU-Wirtschaftskreisen, die der Präsidentin auch zur Übernahme des Amtes geraten haben. Also bezahlt Frau Hell die schönen Kleider, und Frau Bergmann-Pohl kann von nun an auf ihre selbstgestrickten Pullover verzichten. Auch läßt sie sich bei West-Berlins Schicki-Micki-Friseur Udo Waltz gleich noch den richtigen West-Schnitt verpassen.

Daß die Präsidentin der DDR-Volkskammer auch als Werbeträger der gerade jetzt unter massiven Einbrüchen leidenden Wirtschaft der DDR fungieren könnte, scheint Frau Bergmann-Pohl nicht bewußt zu sein. Sonst hätte sie sich nämlich mit dem „Modeinstitut der DDR“ in Verbindung gesetzt. Die wären über eine derartige weltweite Werbemöglichkeit jedenfalls hoch erfreut gewesen, bestätigt Frau Groß aus der PR-Abteilung. „Wir könnten somit unser Image aufpolieren. Und eins kann ich Ihnen sagen: Wir brauchen uns hinter niemandem zu verstecken - jetzt, wo wir alles zeigen dürfen, was wir können.“

Auch Ost-Berlins Prominentenfriseur Umlauf bestätigt: „Natürlich können wir auch der Frau Präsidentin einen modischen, exklusiven Haarschnitt machen. Aber vielleicht hat's die Frau beim West-Friseur bequemer.“ Am Anfang ihrer Karriere ist wohl auch Frau Bergmann-Pohl durch die Kleidergeschäfte des einfachen Volkes gewandelt. Dabei hat sie sogar ein ihr genehmes Kleid gefunden. Aber bei einem Empfang geschah eine Katastrophe: Die Frau des des Ministerpräsidenten de Maiziere trug das gleiche Kleid! Wie gut also, daß es Freunde gibt. Schade nur für die Textilbranche der Republik, die anhand der Präsidentin beweisen würde, daß sie auf dem Weg zum Weltniveau ist.

Torsten Preuß