Mercedes feuert Streikende

■ Massenentlassungen im Zweigwerk Campinas (Brasilien) / Arbeitskampf eskaliert

Berlin (taz) - Die Werksleitung des Mercedes-Konzerns in Campinas/Brasilien geht mit Massenentlassungen gegen die streikenden Arbeiter vor. Am Mittwoch wurden 62 angebliche Streikaktivisten gefeuert, die sich an der Besetzung der Angestellten-Kantine am Montag beteiligt haben sollen. Tatsächlich aber befinden sich unter den Entlassenen nach Angaben der Streikleitung auch Arbeiter, die am fraglichen Tag gar nicht im Werk waren.

Die Entlassungen werden ohne jede Abfindungsregelung vorgenommen. In Brasilien gibt es zwar seit der Militärdiktatur keinen Kündigungsschutz, dafür aber eine gesetzlich geregelte Abfindungsordnung. Auf Grund der fehlenden Arbeitslosenversicherung sind die Abfindungen die einzige Möglichkeit für Entlassene, ihren Unterhalt wenigstens zeitweilig zu sichern. Sie müssen aber nicht gezahlt werden, wenn die Arbeiter tatsächlich oder angeblich gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen haben.

Die Werksleitung in Campinas hat damit zur schärfsten Waffe gegriffen, um die Streikenden unter Druck zu setzen. Gleichzeitig drohte sie mit weiteren Entlassungen, um den Streik zu brechen. Schon vor Beginn des Streiks hatte es Gerüchte über 600 geplante Entlassungen aufgrund von Auftragsmangel gegeben. So wird vermutet, daß die jetzigen Entlassungen dem Konzern durchaus gelegen kommen, um Abfindungen einzusparen. Nach Informationen der taz aus Campinas hat Mercedes angekündigt, erst nach Beendigung des Streiks zu verhandeln. Gleichzeitig wurde ein neues Angebot vorgelegt, das leicht über dem bisherigen liegt: es soll 20 Prozent Vorschuß auf die im August anstehende Inflationsanpassung sowie eine 10prozentige Sonderzuwendung geben. Mit diesem Angebot bleibt der Konzern jedoch deutlich unter dem, was im Hauptwerk Sao Bernardo bereits mit der Metallarbeitergewerkschaft vereinbart wurde. Die Arbeiter fordern einen 160prozentigen Inflationsausgleich. Die zweite Hauptforderung nach Einrichtung einer betriebsratsähnlichen Fabrikkommission wird ebenfalls nach wie vor abgelehnt.

Vom deutschen Gesamtbetriebsrat des Daimler-Konzerns war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Bisher liege noch keine offizielle Meldung über den Streik der brasilianischen Mercedes-Arbeiter vor. Zwar soll der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Feuerstein schon früher gegenüber dem Daimler-Vorstand die Notwendigkeit angesprochen haben, Fabrikkommissionen zuzulassen. Aber zur aktuellen Streiksituation im brasilianischen Zweigwerk will man sich nicht äußern.

cs/marke