Pieroth: Spätlese des Staatsanwalts

■ Weinstaatsanwaltschaft Bad Kreuznach ermittelt seit gestern gegen den Ostberliner Wirtschaftsstadtrat im Zusammenhang mit Glykolpanschereien und einer Falschaussage vor Gericht / „E.P.“ wird auch im Mainzer Untersuchungsausschuß „Firma Pieroth“ belastet

Mainz/Berlin. Kaum hat Elmar Pieroth (CDU) sein Amt als Wirtschaftsstadtrat in Ost-Berlin angetreten, da bekommt er Ärger aus seiner alten Heimat Rheinland-Pfalz: die Weinstaatsanwaltschaft Bad Kreuznach ermittelt seit gestern gegen ihn. Er steht im Verdacht, tief in den Glykolskandal und die damit verknüpften Betrugsdelikte seines früheren Weinkonzerns verstrickt zu sein. Außerdem soll er vor Gericht ohne Eid falsch ausgesagt haben.

So behauptete Elmar Pieroth - zu Hause E.P. genannt - 1986 vor dem Mainzer Landgericht, er sei 1971 aus der Chefetage der Firma „Ferdinand Pieroth“ ausgestiegen und nur noch bis 1981 Vorsitzender des Aufsichtsrates gewesen. Danach sei es „nicht üblich gewesen, daß Geschäftsführungsvorgänge mit mir besprochen wurden“. Nicht einmal „ein drohender Umsatzverlust“.

Diese Aussage erscheint schon deshalb unglaubwürdig, weil Pieroth bis heute laut Staatsanwaltschaft den Großteil der Firmenanteile hält: 52 Prozent. Nun aber widersprechen auch die früheren Pieroth-Topmanager Werner Klopfer (CDU) und Adolf Huber (CDU) vehement Pieroths „Ich-weiß-von-nichts„ -Gehabe. Huber und Klopfer gehören im Glykolskandal ebenfalls zu den Beschuldigten, sehen sich aber als „Sündenböcke“ des Pieroth-Clans, der in Rheinland-Pfalz noch immer Einfluß hat.

So sagte Huber nun vor dem Untersuchungsausschuß aus, E.P. habe auch noch nach seinem offiziellen Ausscheiden 1981 als Berliner Wirtschaftssenator - im Pieroth-Konzern mitgemischt. Es bestünden „dicke Beraterverträge“. Pieroths Tatendrang werde zumindest in der Zeit bis zum Glykolskandal - zwischen 1981 und 1985 - auch durch die Aufsichtsratsprotokolle bestätigt. Huber zufolge ist ferner von Interesse, wie sich zwischen 1981 und 1985 die Konten der Pieroth-Gesellschafter entwickelt haben, inklusive die Konten E.P.'s.

Nach Hubers Auffassung widerspricht dies nicht nur E.P.'s Aussage vor Gericht, es verstößt auch gegen das Westberliner Senatorengesetz, das Senatoren derartige Nebentätigkeiten verbietet. Huber selbst war zwischen 1981 bis zu seiner Entlassung im Zorn 1985 der allmächtige Statthalter des ehemaligen Westberliner Wirtschaftssenators Pieroth. Später verkrachten sich beide. Nachdem die Glykolpanschereien aufgeflogen waren, so Huber, hätten sich die Pieroths darauf verlegt, den Verdacht auf jene zu lenken, „die draußen“ waren. Der Familienname Pieroth sollte sauber bleiben.

Dies wird auch bestätigt durch einen Brief des Ex-Pieroth -Managers Klopfer an E.P. Klopfer zufolge bot Pieroth ihm sogar „eine Beteiligung von 50 Propzent“ an einer Pieroth -Tochtergesellschaft an, wenn der Manager alle Verwantwortungen auf sich nehme. Auch Klopfer bestätigt die Beraterverträge Pieroths.

Die Bad Kreuznacher Ermittlungen schweben schon lange wie ein Damoklesschwert über Pieroth. Sie verschonten ihn noch vor der DDR-Wahl. Nunmehr aber kommt der Ostberliner Ökonomie-Rat, der vor kurzem wegen unangemeldeten Urlaubs in die Schlagzeilen geriet, doppelt in die Bredouille: Denn auch der Mainzer Untersuchungsausschuß „Pieroth“ will E.P. vernehmen. Dies beschlossen CDU und SPD gemeinsam. In Mainz zeichnet sich ab, daß die CDU ihren einstigen Mitstreiter Elmar Pieroth nun fallen läßt. E.P. könnte als Notopfer in dem U-Ausschuß auserkoren sein, der die politische Einflußnahme auf die Glykolermittlungen und die Weinjustiz unter die Lupe nimmt.

Joachim Weidemann