Mit dem Sonderzug nach Bonn

■ Gute Resonanz auf geplante Anti-218-Demo in Bonn / Gegendemo von LebensschützerInnen

Berlin (taz) - Im Westberliner Frauenbuchladen Labrys steht seit Tagen das Telefon nicht still: Überraschend viele Frauen melden sich an für den „Sonderzug nach Bonn“ - zur großen bundesweiten Demonstration gegen den Paragraph 218. Mehrere hundert Frauen wollen sich allein aus West-Berlin auf den Weg machen. Wieviele Frauen aus dem Ostteil der Stadt und der DDR dazukommen werden, läßt sich gegenwärtig noch schwer einschätzen, aber die „Resonanz ist gut“, wissen die Organisatorinnen der Protestveranstaltung vom Bündnis „Frauen begehren Selbstbestimmung“. Am Samstag, den 16.Juni, um 11Uhr startet die Demonstration von der Bonner Nordbrücke; um 14Uhr wird am Münsterplatz eine Kundgebung mit „Kulturveranstaltung“ über die Bühne gehen. Anne Haigis und die Frauenrockband Medusa spielen auf. Prominente RednerInnen der Kundgebung sind u.a. die Bundesvorsitzende von Pro Familia Monika Simmel-Joachim, Verena Krieger von den Grünen und der Memingen verurteilte Frauenarzt Horst Theissen.

Mit 10.000 bis 15.000 Frauen (und Männern) rechnen die Veranstalterinnen. Geplant wurde die Protestveranstaltung zwar schon vor über einem Jahr, aber nun liegt der Zeitpunkt genau richtig. Angesichts der veränderten politische Situation und der Auseinandersetzung um die Fristenregelung in der DDR, so Organisationsfrau Rita Werkmeister, hätten viele Frauen geradezu darauf gewartet. Demonstriert wird für die sofortige Streichung des Abtreibungsparagraphen aus dem Strafgesetzbuch; auf jeden Fall wollen die Frauen verhindern, daß das „Abtreibungs(un)recht der BRD auch in die DDR eingeführt wird“.

Aber auch die Gegenseite ist am Samstag in Bonn präsent: die Lebensschützergruppierung „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALFA) hat bundesweit zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Bei der Bonner Polizei rechnet man mit 2.000 bis 3.000 TeilnehmerInnen. Wenn die Veranstaltung auf dem Münsterplatz beginnt, werden die LebenschützerInnen mit ihrer rund ein Kilometer entfernten Kundgebung gerade zu Ende sein. Zu erwarten ist, daß einzelne Gruppen mit ihren Transparenten und Plakaten auf den Kundgebungsort der Paragraph-218-GegnerInnen kommen werden. Die Polizei rechnet zwar mit einem ruhigen Ablauf; bei den Frauen der Anti-218 -Demo ist jedoch eine gewisse Beunruhigung über möglichen „Provokationen“ der LebensschützerInnen spürbar.

lu