„Grün kaputt“ - erhellend und bedrückend

„Umwelt 90“ in Erfurt - eine Ausstellung des Instituts für Umweltschutz der DDR / Die verheerenden Sünden der modernen Zivilisation an der Lebensgrundlage Umwelt / Raubbau am Land auf das 25fache angestiegen / DDR-Umweltbericht für 1989 auf Video vorgestellt  ■  Aus Erfurt Ralf Schlüter

Daß Computer-Technik derzeit auch in der DDR einen hohen Stellenwert besitzt, kann man auf dem Gelände der iga in Erfurt erleben. Dort findet die Com 90 statt, eine Computer-Messe größten Ausmaßes und mit sensationellen Besucherzahlen. Weit weniger auffällig, und doch von nicht geringer Brisanz läuft seit dem 1. Juni, schwer auffindbar und auch vom iga-Personal offenbar kaum registriert, die Exposition Umwelt 90. Im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Energie und Reaktorsicherheit der DDR wurde sie vom Institut für Umweltschutz Berlin veranstaltet. In der ersten Etappe vom 1. Juni bis 30. Juli werden gleichzeitig vier Ausstellungen gezeigt.

Umweltsünden der modernen Zivilisation

Der zweifellos eindrucksvollste Teil von Umwelt 90 ist eine Ausstellung des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) mit dem Titel Grün kaputt, die in den letzten Jahren schon in der BRD auf reges Interesse stieß und nun erstmals in der DDR zu sehen ist. Mit einfachsten Mitteln, zum Beispiel vergleichenden Fotos nach dem Prinzip „vorher - nachher“, wird bedrückend deutlich gemacht, wie die Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung, beim Häuserbauen, beim Anlegen von Straßen, beim „Auf- und Ausräumen“ ihrer Umwelt verheerende Sünden begehen, die ihren eigenen Lebensraum veröden und die heimatliche Natur überall da zurückdrängen, wo es „ordentlich“ zu sein hat. „Krüppelkoniferen“ statt blühenden Garten, kahle Mauern statt Hausbäumen oder Weinranken. Über den Landverbrauch sagt Dieter Wieland, einer der Gestalter der Ausstellung, Erschreckendes. Während die Einwohnerzahl der Städte sich verdreifacht hat, ist der Landverbrauch im selben Zeitraum um das 25fache gestiegen.

Auch das wird in Bildern anschaulich gemacht. Die kurzen, treffenden Texte fragen jeden Einzelnen direkt und unausweichlich und sparen mit Fachwortschatz und schwer nachvollziehbaren Komplexdarstellungen. Mahnende, ja flehende Worte richtete Dieter Wieland zur Eröffnung an die Adresse der Menschen in der DDR: genau hinzuschauen, bundesdeutsche Verirrungen nicht nachzuahmen und so viel als möglich von der noch vorhandenen Ursprünglichkeit zu erhalten. Grün kaputt lehrt Sehen. Allein schon dieser Teil der Ausstellung ist den Weg nach Erfurt wert.

Gestreßte Ökosysteme

Weiterhin zu sehen ist eine Leihgabe des Nationalkomitees „Man and Biosphere“ (MaB) der BRD über das Ökosystem Hochgebirge, welche den Rundgang eröffnet. Am Beispiel Berchtesgaden werden die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Nutzansprüchen untersucht, die durch Tourismus, forstwirtschaftliche Nutzung, Landwirtschaft und nicht zuletzt den Naturschutz auf das Ökosystem einwirken. Die Ausstellung dokumentiert auf Tafeln die Arbeit der Wissenschaftler und weist die Fragen auf, die innerhalb des Projektes gestellt werden müssen. Allerdings sind die Darstellungen nicht sehr anschaulich und umreißen das Problem oft nur sehr grob, ohne im rechten Maße auf die Dringlichkeit eingreifender Maßnahmen zu verweisen.

Ein dritter Teil der Umwelt 90 dokumentiert kurz die Umweltbelastungen in der DDR, insbesondere mit Blick auf Staub- und SO2-Emissionen, auf den Zustand der Gewässer und den Stand der Waldschäden. Außerdem werden Modelle vorgestellt zur umweltverträglichen Energiegewinnung. Mit welch einfachen Mitteln jeder Einzelne seinen eigenen Schadstoffausstoß verringern kann, ist ebenfalls zu lesen, darunter einige rechte Binsenweisheiten. Zur Eröffnung wurde für Ende Juni auch ein Umweltbericht 1989 der DDR als Buch in Aussicht gestellt, der in Erfurt bereits jetzt auf Video gezeigt wird.

Vom Meteorologischen Dienst der DDR in Potsdam sind schließlich gemeinsam mit dem Institut für Umweltschutz einige Tafeln zum Thema „Treibhauseffekt“ gestaltet. Sie erläutern den Begriff und zeigen auf Diagrammen die Temperaturentwicklung der letzten Jahrhunderte, wobei ein Anstieg der Durchschnittswerte nicht zu übersehen ist. Allerdings wies Professor Böhme, der Leiter dieser Institution, darauf hin, daß auch enorme Fluktuationen zu verzeichnen seien und es im Komplex „Klima“ insgesamt noch zu viele Unbekannte gebe, um schon eindeutige Aussagen über zukünftige Entwicklungen zu treffen. Er warnte jedoch davor, aus dieser Ungewißheit Untätigkeit abzuleiten; im Gegenteil: Gerade das Nichtwissen über die Wirkung von Prozessen, die der Mensch verursache, seien eine besondere Gefahr, und es gelte, erkannte Störquellen des Klimas so schnell als möglich abzubauen.

Zehn Luftbildaufnahmen aus dem Amazonasgebiet bilden einen Sonderteil der Ausstellung. Sie zeigen eindrucksvoll die Veränderungen, die der Mensch durch seinen Eingriff in den tropischen Regenwald bewirkt, von der Versteppung riesiger Gebiete über den „Waldfraß“ der Großstädte bis zu den Einflüssen von Millionen Goldsuchern in den brasilianischen Wasserläufen.

In der zweiten Etappe werden vom 10. bis 16.Oktober noch die Expositionen Die Ozonschicht als Schleier der Erde und Umweltschutz in Thüringen aus der DDR sowie Naturschutz im Garten, 100 grüne Wände und Biologisch/ökologische Landwirtschaft vom Naturschutzbund Deutschand der BRD zu sehen sein.