Numerus clausus löst Probleme nicht

■ Ehemaliger FU-Präsident Lämmert schlägt neues Tutorenmodell vor

Die Berliner Wissenschaftspolitik steht vor einem Dilemma. Die Hochschulen in West-Berlin sind so voll, daß sie mit ihrer heutigen Ausstattung keinen neuen Studentenansturm mehr vertragen. Ein flächendeckender Numerus clausus hingegen wäre ein Affront für die BewerberInnen aus der DDR, und er könnte den Anfang vom Ende der Öffnung der Hochschulen bedeuten.

Aber auch das Motto „Geht doch nach drüben“ bietet keine Patentlösung: Die Humboldt-Universität wehrt sich dagegen, das westdeutsche Chaos zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund schlug der ehemalige FU-Präsident Lämmert auf der Gesamtberliner Wissenschaftskonferenz einen dritten Weg vor: die Einführung eines Tutorenmodells nach angelsächsischem Vorbild.

taz: Worauf zielen Sie mit Ihrem Vorschlag ab, was soll ein neues Tutorenmodell bewirken?

Lämmert: Ich habe dabei die Massenuniversität mit ihrer viel beklagten Anonymität im Auge. Zugleich gibt es an der Ostberliner Akademie und auch bei uns einen großen Überhang an Nachwuchswissenschaftlern. Mit denen verlieren wir eine ganze Generation talentierter Leute.

Ich denke, das Nachwuchsprogramm von Möllemann und das Geld, das der Berliner Senat für die wissenschaftliche Ost -West-Kooperation zur Verfügung gestellt hat, könnten sehr gut angewandt werden für ein Tutorenwesen, wie es das in den angelsächsischen Ländern gibt. Das heißt, junge Mitarbeiter der Ostberliner Akademie und stellungslose Nachwuchswissenschaftler bei uns könnten eingestellt werden, um in der Massenuniversität die einzelnen Studenten zu betreuen, Referate mit ihnen zu besprechen, ihnen bei Examensvorbereitungen zu helfen. Die Studenten würden dann mit dem Tutor besprechen, wie sie ihr Studium aufbauen, was sie lesen, wie sie ihre Studienzeit gewinnbringend ausfüllen. Die jungen Wissenschaftler ihrerseits, die auf diese Weise als Tutoren beschäftigt wären, hätten genügend Zeit zur eigenen Weiterqualifikation.

Was würde das für die Diskussion um den Numerus clausus bedeuten?

Die Probleme der Massenuniversität kann man nicht durch den NC lösen. Das geht nur, indem man die Massenuniversität für die Studenten viel feingliedriger aufteilt, das heißt, viel mehr Betreuung für den einzelnen Studenten anbietet. Das würde die Einführung eines neuen Tutorenmodells leisten.

Interview: Winfried Sträter