Reformbremserin Riedmüller hat ausgebremst

■ SPD und AL haben sich auf einen Entwurf für ein neues Hochschulgesetz geeinigt / Wissenschaftssenatorin Riedmüller (SPD) hatte monatelang vergeblich versucht, ihre Fraktion zu bremsen / Umweltschutzverbände erhalten keine Plätze in den Kuratorien

West-Berlin. Die Mühlen mahlten langsam, aber sie mahlten. Fast anderthalb Jahre, nachdem die rot-grüne Koalition ihre große Universitätsreform angekündigt hat, ist nun das Reformpaket geschnürt. In dieser Woche einigten sich SPD und AL darauf, das bestehende Hochschulgesetz noch vor der Wiedervereinigung Berlins zu novellieren.

Kernpunkte der Reform: Frauen sollem im Wissenschaftsbetrieb stärker als bisher gefördert werden, der Staatseinfluß auf die Universitäten wird zurückgeschraubt, die inneruniversitäre Vorherrschaft der Professoren wird eingeschränkt. Erstmals soll per Gesetz die Verschulung des Studiums zurückgedrängt werden, und die Hochschulpforten werden für Nichtabiturienten einen Spalt weit geöffnet.

An der SPD lag es, daß die Hochschulreform so lange auf sich warten ließ. Die AL hatte schon im November einen Reformentwurf vorgelegt. Die SPD hingegen unterbreitete erst jetzt im Juni ihr Gegenstück. SPD-Wissenschaftssenatorin Riedmüller hatte hinter den Kulissen den Reformwillen ihrer Fraktion gebremst. Der Senatorin gehen einige Reformpläne (etwa zur Hochschulautonomie) zu weit. Außerdem hält sie wegen der Berlin-Vereinigung nichts mehr von einer umfassenden Hochschulreform.

Nicht so ihre ParteikollegInnen, die sich jetzt - verärgert über die Hinhaltetaktik Riedmüllers - gegen sie durchgesetzt haben: Sie wollen auf jeden Fall noch vor der Vereinigung ein demokratischeres Hochschulgesetz als das zur Zeit geltende, das noch unter CDU-Senator Turner ausgeheckt und im Studentenstreik 1988/89 heftig kritisiert worden war. Die Sozialdemokraten in Ost-Berlin haben ihren West-Genossen signalisiert, daß auch sie ein Interesse an der Gesetzesreform haben: Sie erhoffen sich damit eine günstigere Ausgangsposition für die Demokratisierung der Universitätsstrukturen in Ost-Berlin.

Weitgehende Mitbestimmungsforderungen, die die StudentInnen im Streikwinter '88/'89 aufgestellt hatten, wird die Reform allerdings nicht erfüllen. Das erlaubt das restriktive Bonner Hochschulrahmengesetz (HRG) nicht. So werden die Uni -Gremien nicht viertelparitätisch besetzt, doch werden die Professorenmehrheiten jeweils auf einen einzigen Sitz reduziert. Vor allem in den Institutsräten, in denen heute die Professoren ganz allein entscheiden, erhalten StudentInnen, Wissenschaftliche Mitarbeiter und Dienstkräfte wieder Sitz und Stimme. Bei den Präsidentschaftswahlen werden die umstrittenen Einheitslisten bei der Kandidatennominierung entfallen. Der skandalträchtige FU -Präsident Heckelmann ist ein Produkt dieses Wahlverfahrens. Verbesserungen bringt das neue Hochschulgesetz auch für den wissenschaftlichen Mittelbau. Die Anbindung der Wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Professor wird gelockert. Vor allem erhalten sie wieder das Recht, ein Drittel ihrer Arbeitszeit für die eigenen weiterqualifizierenden Forschungen zu verwenden. Die StudentInnen sollen mehr Freiheit bei ihrer Stundenplangestaltung erhalten. Ein Drittel ihrer Pflicht und Wahlpflichtveranstaltungen sollen sie frei wählen dürfen. Damit will die Koalition auf Betreiben der AL die fortschreitende Verschulung des Studiums aufbrechen. So sollen die StudentInnen innerhalb dieses frei verfügbaren Studiendrittels auch andere Fächer belegen können.

Zugang zum Studium erhalten nach dem Gesetzentwurf auch Menschen, die nach einem Realschulabschluß auf eine Berufsausbildung und mindestens vierjährige Berufspraxis verweisen können. Sie können sich in dem zu ihrem Beruf passenden Fach einschreiben.

Bei den Koalitionsverhandlungen waren sich SPD und AL weitgehend einig. Meinungsverschiedenheiten gab es nur in Detailfragen. So konnte sich die AL nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, daß künftig auch Umweltschutzverbände in den höchsten Universitätsgremien, den Kuratorien, einen Platz erhalten. Noch im Juni wird die Hochschulnovelle in erster Lesung im Abgeordnetenhaus debattiert. Im Herbst soll das Gesetz dann verabschiedet werden.

Winfried Sträter