Oper mit Mienenspielen

■ „Adriana Lecouvreur“: Konzertante Premiere in der Glocke

Eigentlich ist die Oper tot; und die Oper ohne alles, was die Oper zur Oper macht, also die konzertante Aufführung, noch toter. Umso angenehmer, wenn man in eine Aufführung gerät, die einem beide Vorurteile aufs Angenehmste widerlegt.

Liebe & Gift

Kurz die Fakten: Marcello Viotti dirigierte in der Glocke das Bremer Philharmonische Staatsorchester, das zusammen mit dem Chor des Bremer Theaters und einigen Solisten eine nicht -szenische Aufführung der Oper „Adriana Lecouvreur“ von Francesco Cilea zum besten gab. Die Handlung ist außerordentlich verwikkelt, andererseits geht es jedoch verläßlich schlicht um Liebe und Eifersucht. Er gesteht ihr seine Liebe, sie hingegen stirbt währenddessen infolge eines Giftattentates ihrer Rivalin.

Einen wirklichen Eindruck von dem, was es heißt, nicht nur zum Publikum zu gehören, son

dern in der Tat Zuschauer zu sein, bekommt man in der zweiten Reihe der Glocke. Kaum etwas entgeht einem; jede stumme Verstängigung der Interpreten untereinander, Mimik und Gebärden als Reaktionen der Einzelnen aufeinander sind wie ein stilles Konzert der Zeichen neben der klingenden Musik.

Sub-Konzert

Keine Opernszenerie ist so amüsant wie dieses Schauspiel: die Solisten auf dem Präsentierteller voyeuristischer Zuschauerlust.

Just wenn die Sopranistin Teresa Erbe mit einem feinnervigen Sinn für die Nuance ihren Text leidenschaftlich ausgestaltete, kommentierte der Gesichtsausdruck der Mezzosopranistin Nelly Boschkowa unruhig grimassierend deren Part - unterbrochen gelegentlich von einem künstlichen Lächeln für den einen oder anderen Kollegen, welches einem kalte Schauer den Rücken heruntertrieb. Sie selber gewich

tete jedes Wort zu stark und überzog damit ihre Rolle ziemlich.

Bunte & Blasse

Der differenzierte Vortrag Teresa Erbes bot in den Duetten gemeinsam mit der Dramatik Mihai Zamfirs (Tenor) die absoluten Höhepunkte der Aufführung. Dialoge zweier gleichweitiger Partner. Daneben verblaßten alle anderen wie etwa der Bariton Joshua Hecht als zu farblos und unflexibel, von Walter Fink (Baß) einmal abgesehen. Dessen zugegebenermaßen nicht gerade üppigen Anteile an der Oper waren über die Nuancen hinaus noch mit der subtlien Einfühlung in die sprachliche Geste verbunden. Jeder Satz oder Ausruf schied sich vom vorhergehenden; jeder Ton fiel wie mitten aus dem Leben heraus. Das Orchester meisterte, bei wenigen Abstrichen, die Partitur überzeugend und tadellos. Insgesamt ein sinnenfreudiger „italienischer“ Abend.

H. Schmid