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■ Warum taz-MitarbeiterInnen gestern die Ex-Stasi-Adressen auf dem Alexanderplatz verteilt haben

Die Kulturseiten sehen heute anders aus als sonst, denn ungewöhnliche Ereignisse erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der taz haben am Montag mittag, statt ihrer täglichen Arbeit nachzugehen, auf dem Ostberliner Alexanderplatz etwa 5.000 Sonderdrucke der taz mit 9.251 Ex-Stasi-Adressen verteilt. Die Listen geben den aktuellen Kenntnisstand des staatlichen Komitees zur Auflösung des Staatssicherheitsdienstes wieder.

Ursprünglich war geplant, die komplette Liste in einer Beilage der DDR-taz vom vergangenen Samstag zu veröffentlichen. Wegen Interventionen vor allem von seiten der DDR-Mitarbeiter der taz war die Drucklegung zunächst verschoben worden. Nach heftigen internen Auseinandersetzungen hatte sich eine deutliche Mehrheit der Redaktion dann am Freitag abend für die ungeschwärzte Publikation in der Montagsausgabe ausgesprochen. Trotz dieses klaren Votums verhinderte die Redaktionsleitung die Umsetzung dieses Beschlusses. Sie entschied, die Adressen lediglich als Extrablatt in einer limitierten Auflage von 10.000 Exemplaren drucken zu lassen, die nicht am Kiosk, sondern gegen eine Schutzgebühr („5-Mark-Schein im Briefumschlag für 2 Exemplare“) erhältlich sein sollten.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner halten jedoch die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit, mit der Verflechtung von Gesellschaft und Stasi, wie sie in den über 9.000 Adressen zum Ausdruck kommt, für unumgänglich. Jeder in der DDR hat ein Recht darauf zu erfahren, wo und wie die Stasi überall gewirkt hat. Diese Liste stellt ein Dokument der Zeitgeschichte dar. Wir sind Journalisten und keine Politiker. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, daß diese Liste in der taz erscheint.

Petra Bornhöft, Wolfgang Gast, Barbara Geier (Inlands -Redaktion), Max Thomas Mehr (Kommentarseite), Claus Christian Malzahn, Raul Gersson (Berlin-Politik), Gabriele Riedle (Berlin-Kultur), Thierry Chervel, Christiane Peitz (Kultur überregional), Arno Widmann (Magazin), Sybille Pook, Rula Andre (Werbung), Kai Fürntratt (Korrektur)