Musik-Kunst: Bruckner in Farbe

■ Gespräch mit der Kölner US-Künstlerin Jack Ox / Heute in der Kunsthalle: „music in art“, zweite Folge

Experimente aus dem Kreuzungsbereich von Neuer Musik und Kunst sind das Programm der ambitionierten Reihe „music in arts - arts in music“, die kürzlich in der Kunsthalle begann. Heute ab 20 Uhr sezieren Mary Jane Leach (Musik) und Jack Ox (Malerei) in ihrem gemeinsamen Programm u.a. eine Bruckner-Sinfonie. Nach einem einleitenden Vortrag wird Jack Ox zur Musik-Performance eine Dia-Serie über ihre malerischen Übersetzungen der Sinfonie, an denen sie seit Jahren arbeitet, zeigen.

taz: Wie kommt man dazu, Musik in Malerei zu übersetzen?

Jack Ox: Ich übersetze nicht Musik. Ich übersetze eine Komposition, die in der Sprache der Musik geschrieben ist, in eine andere Sprache.

Sprechen Sie denn die Sprache? Spielen Sie selbst Musik?

Ich habe sechs Jahre lang Cembalo gespielt, um die Sprache zu lernen. Das war ein Experiment, eine Sprache zu lernen, mit der ich nichts zu tun hatte. Ich hab das sehr sorgfältig getan und jetzt bin ich so etwas wie eine Musikwis

senschaftlerin.

Wie geht das vor sich?

Nach der grundlegenden musikalischen Analyse wähle ich Bilder aus, Images, die direkt mit der Musik zusammenhängen. Dann stelle ich ein Muster her, aus Fiberglasstreifen, die bestimmten Notenwerten entsprechen. Das ist alles durch eine mathematische Zwischensprache vermittelt.

Wie überträgt man denn den emotionalen Gehalt der Musik?

Die emotionale Qualität der Musik, die steckt ganz stark in den Images, die ich auswähle und in der Art, wie sie gemalt sind. Oft schauen sich Leute meine Zeichnungen an, und dann fragen sie, „Whow, hast du das auf einem Computer gemacht?“ Nein, habe ich nicht, aber es ist eben sehr systematisch. Die Emotionalität der Musik steckt in der Art, wie mein Körper die Komposition umsetzt. Als Malerin spiele ich diese Struktur und das ist eine sehr emotionale Erfahrung.

Es gibt also einen Unterschied in ihrem Umgang mit den Images und mit Farbe. Farbe folgt nicht diesem emotionalen Zugang?

Die Unterfarbe der Images ist ein Teil der Emotionalität der Malerei. Aber das, was den Tonartbewegungen der Musik entspricht, das, was sich nicht verändert, egal welcher Interpret ein Stück spielt, steckt in der Bewegung der Oberfarbe. Der Quintenzirkel verhält sich wie ein zwölfstufiger Farbkreis. Wenn also eine Komposition sich von C nach G bewegt und C gelb ist, dann ist G gelborange und man kann sehen, daß sie sich zu einer verwandten Tonart bewegt, aber wenn sie nach E geht, dann ist das ziemlich an

Mary Jane Leach

ders. Die harmonische Qualität ist sichtbar.

Dem Gemälde, an dem ich gerade arbeite, liegen zwei Images zugrunde. Und wie bei der Aufführung von Musik die verschiedenen Linien gegenseitig ihren Charakter verändern, so sieht man die Images in dem Gemälde durch das Oberfarbensystem, das

nicht nur die Tonartbewegungen anzeigt, sondern auch die Dissonanz-Konsonanz-Verhältnisse kodiert. Wenn es sich also um eine klare Konsonanz handelt, dann ist auch die Farbe klar und scheinend, und wenn es sehr dissonant ist, dann sind da 50% Komplementärfarbe und 50% der Grundfarbe, das heißt, die Farbe ist grau. Mit den Farbveränderungen, den verschiedenen Graden von Gräue oder Klarheit und den unterschiedlichen Helligkeitsstufen hat man tatsächlich ein visuelles Äquivalent der musikalischen Linien.

Warum leben Sie in Köln?

Ich kam vor etwa zwei Jahren hierher und dachte, daß es für mich wichtig wäre, für einige Zeit in Nordeuropa oder Deutschland zu bleiben, weil ich denke, wenn Leute hier meine Arbeit mögen, daß sie dann näher an dem sind, was ich meine. Ich finde einfach, daß hier das richtige Ambiente für diese spezielle Arbeit ist.

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