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Magistrat bleibt hart: Leitende werden überprüft

■ Innenstadtrat Krüger verteidigt Magistratsbeschluß zur Überprüfung leitender Mitarbeiter / Heute Protestaktion vor dem Roten Rathaus / Ex-Stasi-Leute in der Innenverwaltung

Ost-Berlin. An dem groß angekündigten Warnstreik von Mitarbeitern der Stadtverwaltung und des Magistrats im Roten Rathaus haben gestern nur Angestellte der Finanzabteilung teilgenommen. Die Aktion richtete sich gegen den Beschluß des Magistrats, 192 leitende Mitarbeiter des Magistrats und nachgeordneter Behörden auf ihre politische Vergangenheit zu überprüfen. Ein „Sprecherrat von Betroffenen“, der seit Bekanntwerden des Beschlusses Protestaktionen organisiert, hatte die Überprüfung als „Gesinnungsschnüffelei“ bezeichnet und fordert die völlige Aufhebung des Beschlusses.

Innenstadtrat Thomas Krüger (SPD) hat den Beschluß gestern auf einer Pressekonferenz erneut verteidigt. Es gehe nicht um Gesinnungsschnüffelei sondern darum, herauszufinden, ob die leitenden Angestellten kompetent und loyal seien. „Ich habe nicht vor, mich als McCarthy aufzuspielen!“, sagte er. Der Magistrat hatte den Beschluß zuvor noch einmal bekräftigt. Für ehemalige Funktionäre des Staatssicherheitsdienstes, die nach der Wende noch schnell in führende Verwaltungspositionen untergekrochen seien, dürfe im Roten Rathaus kein Platz sein, hieß es in einer Erklärung. Stadtrat Thomas Krüger teilte in diesem Zusammenhang mit, daß in seiner Abteilung mehrere ehemalige hochrangige Stasi-Mitarbeiter „in leitender Position“ tätig seien.

Die Gespräche, in denen die 192 Magistrats-Mitarbeiter auf Eignung und politische Vergangenheit überprüft werden, hätten gestern begonnen, teilte Krüger mit. Neben den zuständigen Stadträten nehmen an den Gesprächen auch Personalvertreter teil. Bei Streitfällen soll eine Personalkommission des Magistrats, deren Arbeit von einem Beirat begleitet wird, entscheiden. Bis zum 30. Juni sollen alle Gespräche stattgefunden haben.

Krüger wies den Vorwurf des Rechtsbruchs gestern zurück, der Magistrat war deshalb am Montag bei der Generalstaatsanwaltschaft von Mitgliedern des Sprecherrats angezeigt worden. Der Beschluß sei „im Lichte des geltenden Rechts“ gefaßt worden. Wer sich mit denen solidarisiere, die überprüft werden müßten, betreibe ein unverantwortliches Spiel sagte er weiter. Die Protestaktionen waren unter anderem von Künstlerverbänden und der Westberliner Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) unterstützt worden. Die Gewerkschaft teilte mit, daß sie bereit sei, Regelungen von Fragen der Arbeitsverhältnisse unverzüglich mit dem Magistrat zu verhandeln.

Auch während der heutigen Stadtverordnetenversammlung (SVV) sollen Protestaktionen stattfinden. Die Präsidentin der SVV, Christine Bergmann, appellierte an die Demonstranten, die Arbeit des „frei gewählten Parlamentes nicht zu behindern“. Eine Bannmeile um das Rote Rathaus gebe es nicht. Es seien aber die „üblichen Sicherheitsvorkehrungen“ getroffen worden.

ccm

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