Ansichten eines Clowns

■ Das ZDF zeigt eine umfangreiche Werkschau mit Filmen von Woody Allen

Als im Jahre 1978 vor einem Auditorium von internationalen Berühmtheiten der Oscar verliehen wurde, fiel der Name Woody Allen gleich dreimal. Der Regisseur und geniale Komiker gewann für seinen Film Annie Hall (Der Stadtneurotiker) die begehrte goldene Statuette für den besten Film, die beste Regie und für das beste Originaldrehbuch. Nur, der Triumphator des Abends war nicht anwesend, um seine Ehrungen entgegenzunehmen. Er befand sich zu dem Zeitpunkt ungefähr fünftausend Kilometer von Hollywood entfernt und schlief friedlich in seiner New Yorker Wohnung.

Woody Allen ist seiner Abneigung gegen die kalifornische Glitzerwelt und gegen die geheiligte Oscar-Verleihung treu geblieben. Als ihm vor drei Jahren für Hannah und ihre Schwestern wiederumg der Preis verliehen werden sollte, saß er auf der Bühne der New Yorker Jazzkneipe „Michael's Pub“ und spielte Klarinette - wie jeden Montag.

Auch sonst unterscheidet sich der Meister der treffsicheren Pointe von anderen Größen des amerikanischen Show-Geschäfts. Er spielt weder Golf noch Tennis und protzt auch nicht mit dicken Autos und teuren Villen. Stattdessen lebt er zurückgezogen in der New Yorker 5th Avenue und geht fünfmal die Woche zum Psychoanalytiker um über seine Depressionen und seinen Haß auf Haustiere zu reden.

Angefangen hat der als Allen Stewart Konigsberg 1935 in Brooklyn geborene Künstler als Gag-Schreiber für Fernsehshows und Nachtclub-Programme. Seit 1961 gab er seine Sketche auch selbst auf der Bühne zum besten, was für den scheuen und schüchternen Allen zunächst nicht einfach war. Aber schon nach einem Jahr, nach einem famosen Auftritt im Club „The Bitter End“ in Greenwich Village, galt Woody Allen als die große Komiker-Entdeckung. Es folgten Leinwandauftritte und Drehbücher. Außerdem schrieb er zwei Broadway-Komödien, von denen die eine, Mach's noch einmal Sam, 1971 von Herbert Ross mit dem Autor in der Hauptrolle verfilmt wurde und ihn weltberühmt machte.

Das ZDF beginnt heute mit einer umfangreichen Werkschau mit Filmen von Woody Allen. Im Wochenrythmus (jeweils am Mittwochabend) werden insgesamt zehn Allen-Filme gezeigt, wobei acht der Filme Fernsehpremieren sind.

Den Anfang macht heute Abend um 22.45 Uhr Die letzte Nacht des Boris Gruschenko (Love and Death). „Wenn sie mich in meiner komischen Höchstform erleben wollen“, hat Woody Allen erklärt, „versuchen Sie mich am Vorabend meiner Hinrichtung zu treffen.“ Und genau darum geht es: 1812 irgendwo in Rußland. In einem Kerker der französischen Armee sitzt Boris Gruschenko und wartet auf seine Hinrichtung. Die Anklage: Attentatsversuch auf Napoleon. Die Wartezeit verbringt der schmächtige Häftling damit, sein bisheriges Leben Revue passieren zu lassen. Bestimmt wurden all seine Taten und Untaten von seiner Liebe zur Kusine Sonja (Diane Keaton), die jedoch zunächst seinem stämmigen Bruder Iwan und dann einem Heringshändler den Vorzug gab.

Woody Allens satirisches Bild vom alten „Mütterchen Rußland“, durchsetzt mit liebevollen Parodien auf Tolstoj, Dostojewskij, Tschechow und Eisenstein, sein grimmiger Humor, mit dem er den „Großen Vaterländischen Krieg“ als entwürdigendes Spektakel entlarvt, machen den Film zu einem der schwärzesten und zugleich komischsten seiner Werke.

Diverse Knochenbrüche bei den Schauspielern, ungünstige Wetterbedingungen, eine Lebensmittelvergiftung, die Diane Keaton und Woody Allen beinahe dahingerafft hätte, sorgten dafür, daß der genervte Regisseur hinterher vermutete, die Produktion sei mit einem Fluch belegt: „Das ist ohne Zweifel darauf zurückzuführen, daß der Film heftige Kritik an Gott übt. Er setzt voraus, daß ER nicht existiert, und wenn ER existiert, kann man ihm kein Vertrauen entgegenbringen.“

kweg

Weitere Sendetermine: Der Schläfer (27.6.), Was Sie schon immer über Sex... (4.7.), Der Stadtneurotiker (11.7.), Innenleben (18.7.), Manhatten (25.7.), Stardust Memories (1.8.), Eine Sommernachts-Sexkomödie (8.8.), Zelig (15.8.), Hannah und ihre Schwestern (22.8.), Godard trifft Woody Allen, Dokumentarfilm (23.8.)